Nachgefragt: „Die Große Koalition überflüssig machen“
■ AfA-Sozialdemokrat Löhmann über die Webersche Lust an Großer Koalition
Fraktionschef Christian Weber (SPD) soll aufhören, sich bei der CDU anzubiedern, schimpft Ingo Löhmann (31). Als 16jähriger trat er in die SPD ein. Heute ist der Busfahrer Landesvorsitzender der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA). „Für einen aufrechten Sozialdemokraten ist eine Große Koalition die absolute Notlösung“, kommentierte Löhmann die Worte des Fraktionschefs. Wir wollten von ihm wissen, was ein aufrechter Sozialdemokrat ist.
Herr Löhmann, warum ist Christian Weber kein aufrechter Sozialdemokrat?
Aufrichtigkeit ist Gradlinig- und Verläßlichkeit. Für einen Sozialdemokraten muß eine Koalition mit der CDU die absolute Notlösung bleiben. Weber tut aber so, als wäre sie schon selbstverständlich.
Ihre Genossen haben sich aber für die Große Koalition entschieden.
Aufgrund der finanziellen Lage in Bremen ging das wohl auch nicht anders. Viele hatten damals halt Angst und wollten eine starke Mehrheit. Ich war gegen die Große Koalition. Man darf die Leute nicht für dumm verkaufen. Die Grenzen verwischen. Die Wähler bekommen das Signal, CDU und SPD verstehen sich gut, die machen einfach so weiter wie bisher.
Was stört Sie an der Großen Koalition in Bremen?
In der kommt die SPD nur vor dank Scherf. Als AfA-Vorsitzender sage ich aber: Es gibt immer noch viele direkte Interessen von ArbeitnehmerInnen. Die CDU hat Schlüsselressorts wie das Wirtschaftsressort und das Finanzressort. Wenn jetzt Dinge vorgestellt werden, die schon während der Ampel-Koalition vorbereitet worden sind, tun die CDU-Politiker immer so, als wäre es ihre Idee gewesen.
Da stehen dann Herr Perschau, Herr Neumann und Herr Neumeyer, lächeln in die Kameras und tun so, als wären sie Wunder wie toll. Dabei ernten sie in Wirklichkeit nur, was die SPD in Jahren gesät hat. Was die SPD tut, kommt nicht rüber. Und wenn solche Dinge auffliegen, wie die Baugeschäfte von Finanzsenator Ulrich Nölle (CDU) und Innensenator Ralf Borttscheller (CDU), tut Christian Weber einfach so, als wäre nichts gewesen. Er geht darüber hinweg und betont, wie gut sich CDU und SPD verstehen. Das ist so eine Gleichmacherei, die der SPD nur schadet.
Sie haben gesagt, man dürfe nicht am Sessel kleben. Glauben Sie, die SPD müsse notfalls in die Opposition gehen, um wieder an Profil zu gewinnen?
Nein. Ich habe die Befürchtung, daß es dann wie in Berlin oder Frankfurt laufen würde. Dort sind SPD-Hochburgen verloren gegangen, die man nur schwer zurückerobern kann.
Ich kämpfe dafür, daß meine Partei allein das Rennen macht. Dafür müssen wir erkennbare Politik machen, faßbarer, unverfälschter und unterscheidbarer als bisher. Nur so können wir die Wähler und Wählerinnen überzeugen, uns ihre Stimme zu geben. Damit eine große Koalition überflüssig wird.
Fragen: Kerstin Schneider
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