: Kataloge für die schnellen Beine von Sat.1
■ Viel Presse, wenig Material: Fotos von Peter Lindbergh im Hamburger Bahnhof
Verleger Lothar Schirmer war ausgeprochen vergnügt und meinte, „ich bin ja nur der Drucker“. Preßte einen Katalog an seinen runden Leib und frohlockte: „Ich hab' ja meinen noch erwischt.“ Da freut er sich, wenn die Raymond- Loewy-Stiftung ihm den Katalog aus seinem eigenen Haus bezahlt. So billig kriegt er ihn nie wieder.
Tatsächlich war der gute Mann aus München gar nicht so unschuldig, wie er tat. Sein Haus hatte es nicht geschafft, die Kataloge zur ersten europäischen Einzelausstellung des international renommierten Modefotografen Peter Lindbergh rechtzeitig zur Pressekonferenz im Hamburger Bahnhof bereitzustellen. Professor Bernd Ewers von der veranstaltenden Kunstbibliothek war sich aber sicher, da sie schon „in der Verwaltung“ angekommen seien, könne man nach der Vorbesichtigung mit ihnen rechnen, in ausreichender Anzahl. Leider waren die Mitarbeiter der Raymond Loewy-Stiftung nicht in der Lage, die längst eingegangenen Presseanmeldungen zu addieren.
Jedenfalls, die Kataloge lagen noch vor Ende des Rundgangs, der im oberen Stockwerk stattfand, plötzlich im Erdgeschoß vor. Und weil die Kollegen vom Privatfernsehen notwendigerweise in Teams von mehreren Personen auftreten, waren sie diejenigen, die das als erste merkten. So sah man also die Fernsehtussis mit den zwanzig Exemplaren abziehen und ging selbst leer aus. Sie brauchen den Bildband zwar eher weniger dringend, denn für ihren Zweiminutenclip reicht der eine oder andere Kameraschwenk, und anders als die Leute von der schreibenden Zunft, müssen sie Bilder nicht in Worte übersetzen. Wofür es doch sehr nützlich ist, sie noch einmal vor Augen zu haben.
Alles nur das übliche Malheur. Auffällig jedoch das allgemeine Desinteresse, die Sache zu regeln. Dienstleistung ist bekanntlich eine der leichtesten Übungen. Professor Welfhard Kraiker, der Herr von der Raymond-Loewy-Stiftung, die die Order von angeblich 500 Bänden bezahlt hat, ließ sich den Schlamassel gefallen und empfahl, sich Notizen zu machen, es gebe ja auch die Pressemappe. Klar, die anderen machen ihren Job, pinseln ihre Notizblöcke mit Titeln und Daten zu 160 Fotos voll. Es ist doch immer wieder erstaunlich, was die Leute vom Job anderer Leute verstehen. Wobei man nach derlei Vorkommnissen doch geneigt ist, umgekehrt zu fragen, was sie eigentlich von dem ihren verstehen. Offenbar ging es nur um einen Veranstaltungshinweis. Dafür reicht eines der sechs Bilder der Pressemappe. Muß ja nicht die Wahl dessen sein, der schreibt. Das Wort von der Bildkultur kennt der Museumsmann nur für Vorträge. Peter Lindbergh hätte Besseres verdient, so schlecht sind seine Fotos gar nicht, im Gegenteil. Brigitte Werneburg
Peter Lindbergh, bis 12.10., Di.–Fr. 9–17, Sa./So. 10–17 Uhr, Hamburger Bahnhof, Invalidenstraße 50/51
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