: Reif fürs Paradies
■ Acht erwachsene Robinsons, einer mußte raus. Nach Selbstmord diskutiert ganz Schweden über neue TV-Show
Stockholm (taz) – Pulau Tengah ist eine kleine unbewohnte Insel vor der Küste Malaysias. An diesen schönen Ort sandte das schwedische Fernsehen für die TV-Show „Expedition: Robinson“ sechzehn Schweden. Eine freundliche Sache, sollte man meinen. Doch im Königreich gehen die Wogen hoch. In einer Blitzumfrage des Boulevardblatts Aftonbladet verlangten mehr als zwei Drittel der Befragten nach der ersten Folge am Samstag, das Programm sofort zu stoppen. TV-Mann Gunnar Bernstorp sah „eine Schule für nazistische Ideen“ in der Show, und Schwedens öffentlich-rechtliches Fernsehen erreichen täglich neue Zuschauerstimmen. Tenor: „Die Idee ist krank.“
Die Idee ist eine Mischung aus „Robinson Crusoe“, „Zehn kleine Negerlein“ und „Herr der Fliegen“. Sechzehn „normale“ SchwedInnen, aus Hunderten von BewerberInnen ausgewählt, wurden zusammen mit zwei Kamerateams in zwei Mannschaften auf der Insel abgesetzt. Essen gibt's für eine Woche, doch die Mission dauert 45 Tage. Die Kameras beobachten, wie die Mannschaften ihr „Überleben“ organisieren und was sich zwischen den Gruppenmitgliedern tut. Bei den Herausforderungen, die sich zusätzlich auf der Insel stellen, geht es um Gewinnen und Verlieren.
Gewinnen heißt, dem Team wird das Inselschicksal durch irgendeine Hilfe komfortabler gemacht. Verlieren jedoch bedeutet: Das Verliererteam muß einen aus den eigenen Reihen hinauswählen. Der fährt nach Hause. Bis nach 45 Tagen zwei „Robinsons“ alleine auf der Insel sind.
Zwar wird der Weggeschickte in geheimer Abstimmung bestimmt, die Teammitglieder begründen aber vor der Kamera ausführlich, warum es gerade jener sein soll. Einem „Herausgewählten“ wurde in der ersten Folge beispielsweise mit auf den Weg gegeben, er käme wohl grundsätzlich mit bestimmten Frauen nicht klar. Daß bei der Jagd nach dem 60.000-Mark-Preis „wirkliche Gefühle“ präsentiert würden, galt den Programmverantwortlichen bei der Präsentation denn auch als „besondere Würze“ des Ganzen.
Formulierungen, die man mittlerweile vermutlich bereut: Der erste von seinem Team Hinausgewählte, ein 35jähriger Mann ausländischer Herkunft, nahm sich kurz nach der Rückkehr das Leben. Seine Witwe: „Er war sehr deprimiert und ängstlich, als er wiederkam. Er fühlte sich verletzt, niedergemacht und öffentlich vorgeführt.“ Sie appellierte an das Fernsehen, die Ausstrahlung zu stoppen. Doch das hat schließlich einen zweistelligen Millionenbetrag investiert.
Die möglicherweise tragische Folge der Mobbing-Show hat in Schweden zu einer heftigen Mediendebatte geführt: Man habe bewußt ein Grenzland geschaffen, in dem Spiel und Ernst zusammenfließen: „Eine Mischform mit Bestandteilen, die an die dunkelsten Seiten der menschlichen Psyche appellierten“, so Dagens Nyheter, die gleich auf die Diana-Debatte verwies.
Schon in der ersten Sendung war zu sehen, daß da keine Zufallsauswahl von Schweden als reif für die Insel ausgesucht worden war. Ein Team erwies sich als völlig chaotisch, feierte lieber den ersten Abend mit Alkohol, statt sich eine Unterkunft zu bauen. Während das andere Team sich straff organisierte. Solcher Gegensatz sollte offenbar den Unterhaltungswert steigern. Die Regie scheint auch dramaturgisch vorausschauend eingegriffen zu haben, um bewußt TeilnehmerInnen mit vorhersehbaren „Gruppenschwächen“ dabeizuhaben. Damit's spannender wird. Reinhard Wolff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen