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Neuer Schaukampf

■ betr.: „Warum kein Referen dum?“ von Bernd Probst (Europa und die Linke), taz vom 5.9. 97

1. Keineswegs trifft es zu, daß die EU nur durch den „Euro“ zusammengehalten werde soll. Nach wie vor existieren zum einen die Strukturen der Europäischen Gemeinschaft fort, zum anderen ist auch der Euro nur Teil einer Wirtschaftsunion, die auf eine ordoliberale institutionelle Bewältigung der Konvergenz der westeuropäischen Volkswirtschaften gegen den Druck der Globalisierung zielt. Das Problem des Euro besteht eher darin, daß das bisherige bundesdeutsche Währungssystem auf eine gesamteuropäische Ebene verschoben worden ist, eine Konstruktion, die doch jenen entgegenkommen müßte, die sich eine EU nur als vergrößerten Nationalstaat vorstellen können. Merkwürdigerweise wurde gegen dieses jahrzehntealte System in der BRD kaum Kritik geübt. Die insoweit gegen den Euro gerichtete Kritik wäre daher auch gegen die Konstruktion des deutschen Währungsrechtes zu wenden. Doch davon läßt sich nichts vernehmen.

2. Die EU ist auch nicht völlig von den demokratischen Legitimationen abgekoppelt. Die Kritiker der demokratischen Legitimationsbasis der EU ergehen sich meist in vagen Schlagworten über den Gegenstand ihrer Kritik. Tatsächlich besteht eine strikte Koppelung an die Zustimmung der nationalen Parlamente, zudem bestehen unterschiedlich ausgeprägte demokratische Beteiligungsformen des Europäischen Parlaments. In diesem System bleiben lediglich insoweit Legitimationslücken, als das EP nicht die vollen Befugnisse eines nationalen Parlaments hat. Gemeint sind daher Legitimationsdefizite einer direkten Demokratie mit Schwerpunkt auf allgemeinen Plebisziten. Die in diesen Kreisen so gern in Bezug genommene Hannah Arendt hat nicht ganz ohne Grund einmal geschrieben, daß das „Plebiszit der Tod des Wahlrechts (ist)“. Mehr Demokratie muß nicht unbedingt mehr direkte Demokratie heißen. Ohnehin zeichnen sich Plebiszite nicht ohne weiteres durch einen Wahrheitsbezug aus. Demokratie, die in Ochlokratie umschlagen kann, bedarf einer republikanisch- rechtsstaatlichen Steuerung, auf die Plebiszite nicht einwirken dürfen. Übrigens haben die Bürger jene Bürger demokratisch gewählt, die den Euro noch einmal – entgegen der europarechtlichen Normenstruktur – nach dem „Maastricht“-Urteil des BVerfG demokratisch zu beschließen haben. Der Wille der Bevölkerung wird in Wahlen zu den nationalen Parlamenten und zum EP durchaus deutlich. Es ist Bauernfängerei, zu behaupten, daß Volkes Wille bereits unabänderlich feststehe. Vielmehr unterliegen gerade Plebiszite dem Grundsatz absoluter Kontingenz. Es sind die gleichen Wähler, die bisher dreimal (indirekt) Helmut Kohl gewählt haben.

3. Derartige Betrachtungen kranken an einer Sicht der EU, die einerseits von einer Anbindung an volksdemokratische Souveränität ausgeht, andererseits die EU als auf einem Reißbrett entwerfbares Gebilde ansieht, das nur plebiszitär beschlossen werden muß. Zwischen Nationalstaat und Staaten(ver-)bund kann es demnach getreu den altüberlieferten Kategorien der „Allgemeinen Staatsrechtslehre“ kein Drittes geben. Derartige Positionen sind in Wirklichkeit strikt „konservativ“. Tatsächlich hat sich die europäische Integration in historischer Perspektive keineswegs bruchlos entwickelt, sondern bedurfte jahrzehntelanger Anstrengungen. Die konstruktiv fragwürdige Anbindung an die Dezisionen eines rechtlich bindungsfreien Souveräns kann ebenso das Gegenteil dessen freisetzen, was von diesen Kritikern intendiert ist, deren Wünsche sich übrigens insoweit im Ergebnis mit denen der Neuen Rechten decken.

4. Auch die verfassungsrechtlichen Grenzen lassen sich nicht so einfach vom Tisch wischen. Mal angenommen, das Referendum fiele für den Euro aus. Diese nicht diskutierte, aber mögliche Variante führt zum Einsturz sämtlicher Gedankengebäude der Euro-Gegner, deren Ziel in Wirklichkeit der Erhalt des nationalen Politikbiotops ist, in dem sie ihre zarten kommunitaristischen Pflanzen weiter begießen können. Doch die Konvergenz der Nationalökonomien macht ihnen insoweit einen Strich durch die Rechnung, als nur supranationale Regulationen noch Aussicht haben, diesen transnationalen Entwicklungen anarchischer Marktbewegungen überhaupt Grenzen zu ziehen. Die völkerrechtliche Geltung des EUV und dessen Bruch bedürfen natürlich erst recht keiner Diskussionen. Normative europarechtliche Grenzen sind nicht existent!

5. Nichts hat im übrigen einen europäischen politischen Raum besser konstituieren helfen als die Debatte um den Euro, die in anderen Ländern Europas gerade seitenverkehrt zur BRD abläuft. Aber Systemvergleichung ist nicht jedermanns Sache. Die Verengung der Perspektive auf die Konstruktion eines europäischen Nationalstaats blockiert den Blick auf eine evolutionäre Perspektive der Entwicklung einer politischen Union jenseits von Nationalstaat und Staatenverbund, in deren Richtung der „Amsterdamer Vertrag“ bereits verweist. Das Entweder- Oder ist zu einer Perspektive zunächst parallel verlaufender institutioneller Entwicklungen mit aufeinanderfolgenden Regierungskonferenzen aufzugeben, innerhalb deren die nationalen Verfassungen Grenzen für Kompetenzübertragungen enthalten, die den „nationalen Errungenschaften“ auf die immer mehr heimatverbundene „Linke“ Wert legen, funktional äquivalent sein müssen. Die Debatte um den Euro nimmt langsam hysterieähnliche Züge an. Ralf Hansen, Düsseldorf

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