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■ Jetzt neu: ein Wundermittel soll Flöhen das Rückgrat brechenEin Problem, das alle juckt

„Mitunter ist der Flohbefall ja so groß, daß der ganze Hund zu wackeln scheint“, weiß Arndt Liebisch vom Institut für Parasitologie in Hannover zu berichten. Grund genug für den Pharmakonzern Bayer AG, ein neues Antiflohmittel auf den Markt zu bringen. Das wurde nun vergangenen Freitag mit viel Gespür für das richtige Ambiente in der „Flamingo Lodge“ im Hamburger Tierpark Carl Hagenbeck der Öffentlichkeit vorgestellt.

Neben Haustierbildern auf hellblauen und rosa Stellwänden und faustgroßen Flohnachbildungen aus Plastik, die an langen Gummibändern auf und ab wippten, saß eine stattliche Zahl sogenannter unabhängiger Wissenschaftler und schick gekleideter Public-Relation-Damen. Mit viel Sprachwitz und bunten Grafiken wollten sie über die Kulturgeschichte des Flohs und natürlich vor allem über das neue Wundermittel „advantage“ informieren. Denn handelt es sich bei Flohbefall nicht um ein Problem, „das uns alle juckt“? Richtig!

Vor allem, wenn man bedenkt, daß es bundesweit fünf Millionen Hunde und sechs Millionen Katzen gibt, die sich täglich kratzen. Und die Besitzer leiden mit. Denn die Flöhe springen mitunter den ersten an, der zufällig vorbeikommt. Die Folgen: soziale Isolation und manchmal sogar Notverkäufe schmucker Eigenheime wegen Flohbefalls. Deswegen wurde also nun die „Reflohlution“ ausgerufen.

Fortan können Hunde und Katzenbesitzer elektrischen Flohkamm, Spezialshampoo oder Teebaumöl beiseite legen. Mit dem „Spot-on“-Verfahren wird „advantage“ auf die Nackenhaut des geliebten Vierbeiners aufgeträufelt, und durch die Bewegungen des Tieres verteilt sich die Lösung über den ganzen Körper. Bei Testtieren konnten Wissenschaftler am Hinterlauf noch nach 14 Tagen eine hohe Konzentration der Substanz feststellen.

Bereits 24 Stunden nach der Verabreichung des Mittels kommt es bei den Flöhen zu dem erwünschten „Knock-Down-Effekt“, wenig später stirbt die gesamte adulte (also erwachsene) Flohpopulation des behandelten Tieres. Der Schutz vor Neubefall hält aber nur 28 Tage an. Danach muß die Behandlung – zur Freude des Konzernbuchhalters – zweimal wiederholt werden. Denn bei nur etwa fünf Prozent des Befalls handelt es sich um adulte Flöhe, der Rest sind Eier und Larven. Und bei denen wirkt das Mittel erst, wenn sie geschlüpft sind. Diese Tatsache ist besonders entscheidend im Kampf gegen die Katzenflöhe, die mittlerweile auch vermehrt Hunde anfallen. In den USA machen Katzenflöhe bereits 90 Prozent und in Deutschland schon 57 Prozent des Hundeflohbefalls aus. Die lange Puppungszeit des Katzenflohs macht es besonders schwierig, durch die Tötung der erwachsenen Tiere die Reproduktion der Population zu verhindern.

Die Wirksamkeit von „advantage“ wurde übrigens streng nach EU-Richtlinien getestet. Die befallenen Versuchstiere wurden von hochqualifizierten Fachkräften stündlich durchgekämmt, dann die toten Flöhe registriert und die lebenden wieder auf das Trägertier gesetzt. Und natürlich versichert der Konzern, daß das auf Nikotinbasis hergestellte Wundermittel völlig ungefährlich ist für Mensch, Tier und Umwelt.

„Auch wenn Tier oder Frauchen trächtig sind, kann ,advantage‘ gefahrlos angewendet werden“, versichert Manfred Kietzmann vom Institut für Pharmakologie an der Universität Leipzig. Und die Reproduktionsfähigkeit des Tierbesitzers bliebe ebenfalls ungefährdet. Das ist schön. Klaus Sieg

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