Das Schweigen der Ameisen

■ „Kleinode“präsentiert im Fama zeitgenössische Kurzfilme aus Afrika

Das Paradies war längst verloren, die Welt entdeckt, Afrika bereits am Reißbrett der Kolonialmächte aufgeteilt und der Wilde, ob edel oder menschenfressend, bescherte seit den Reiseromanen des 18. Jahrhunderts den Intellektuellenkränzchen aufregende Debatten. Doch mit dem Film konnte die obskure Ferne noch einmal erobert, beschaut und vor allem mit nach Hause genommen werden. Zum Trost für Wirtschaftsdepremierte und Kriegsversehrte, zum Staunen über wüstes Buschwerk und renitente Monsterspinnen in Breitwand und bald auch in farbberauschten Kolorationen.

Natürlich war vor allem ein toter Eingeborener, ein guter. Aber der beste Oberwilde blieb ein Weißbrot mit Olympischer Medaille. Schwimmeister Johnny Weissmuller als Halbmensch Tarzan, dem versehentlich die Zivilisation abhanden gekommen ist. „Ich Tarzan, du Jane“. Affe Chita klatscht dazu mit den Pfoten. Der Urwald spricht endlich eine Sprache.

King Kong-Spielarten, hysterische Dschungelmärchen wie Hula, die Tochter des Waldes und ethnologische Dokumentarfilme, die afrikanische Stämme wie Ameisen auf den Objektträger ihrer Kamera legten, zählten zu den ersten Filmen auf Afrikas Leinwänden. Und während die westliche Filmindustrie herausfand, das der „Hautspiegelungsgrad eines Europiden“36 Prozent betrug, die Reflexionen schwarzer Haut den Produzenten noch Kopfschmerzen machte, mußten die Afrikaner zusehen, wie sie in Gestalt kreischender Bambusröckchenträger von einem Riesengorilla platt getreten wurden.

Eine Groteske, an der sich nichts geändert hat. Und so ist die Hauptstadt des frankophonen afrikanischen Kinos immer noch Paris. Jenseits Südafrikas und Ägyptens existiert keine nennenswerte afrikanische Filmindustrie. Jeder Versuch eine eigene Produktionsstruktur aufzubauen, führt nur über den Umweg alter Kolonialmächte. Und außer Filme wie Yeelen, die schon mal mit einem Multikulti-PC-Preis von den Sonderjuries umarmt werden, nimmt sie in Europa nur ein arte-Themenabend zur Kenntnis. Eine Filmreihe wie Kleinode, die Marie Hélène Gutberlet zusammengestellt hat, präsentiert eine Auswahl afrikanischer Kurzfilme und setzt Streiflichter auf die Filmgeschichte eines Kontinents, der sich noch immer mühsam gegen die westliche Produktionsgorillas stemmen muß. Zusammen mit Hans-Peter Metzler machte sich die Frankfurter Filmwissenschaftlerin bereits in ihrer Anthologie Afrikanisches Kino (Horlemann, 1997) daran, diesen Teil hartnäckig ignorierten Filmschaffens eine Plattform zu geben. Beiträge afrikanischer KritikerInnen und FilmemacherInnen fahnden nach Ursprüngen einer eigenen Kinematographie. Und sie erklären, wa-rum das Rückkehr-zur-Quelle-Genre im afrikanischen Film so beliebt ist. Zensur gehört zum Alltag. Und präkoloniale Erzähltraditionen ermöglichen den Filmemachern, politische Themen mit alten Symboliken zu ummanteln, um so staatlichen Schnittmaßnahmen zu entgehen. So kreisen viele Produktionen, um Initiationslehren, Göttergeschichten und Magie und knöpfen sich doch gleichzeitig Weltbanken oder Apartheid vor oder zeigen auf die Totem und Tabus, die ihnen die Westmächte eingebrockt haben. Birgit Glombitza

8. Nov.: Un certain matin, Le clandestin, Le damier; 9. Nov.: Goi-Goi, Fugace, Contras' City, Temedy, Taxcarte. Alle Filme jeweils ab 20. 30 Uhr, Fama