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Personalnot mit jahrelangem Vorlauf

■ In wenigen Jahren droht akuter Mangel an Ingenieuren / Zahl der Studienanfänger ist auch in Bremen dramatisch gesunken: Horrornachrichten vom Arbeitsmarkt haben Bewerber abgeschreckt

Dem High-Tech-Land Deutschland gehen die Ingenieure aus. Immer weniger junge Leute beginnen ein Studium der Ingenieurwissenschaften. Auch an der Bremer Universität ist die Lage nach Ansicht von Fachleuten dramatisch. „Das schlechteste Jahr ist jetzt“, glaubt Professor Stefan von Aufschnaiter, Dekan des Fachbereichs 1, Physik und Elektrotechnik. In sechs Jahren, wenn die wenigen Anfänger von heute ihr Diplom machen, sei „die Katastrophe endgültig“.

Die Zahlen sind eindeutig: Während vor fünf Jahren noch fast 1.000 angehende Diplomingenieure an der Bremer Uni Elektrotechnik studierten, waren es im vergangenen Semester nur noch 540. Bei den Studienanfängern sieht es noch dünner aus, hier sind die Kapazitäten nur noch zu 30 bis 40 Prozent ausgelastet. Ähnlich schlecht sieht es in Produktionstechnik aus, während die Studierendenzahlen in Mathematik und Informatik in Bremen entgegen dem Bundestrend annähernd stabil sind.

Personalnot droht in der Wirtschaft ebenso sein wie die Forschung. „Das Wissenschaftssystem ist stark auf Doktoranden abgestellt“, sagt Dekan Aufschnaiter. Wenn nicht genügend qualifizierter Nachwuchs nachkommt, seien Forschungsprojekte und das dafür von außerhalb der Universität eingeworbene Geld in Gefahr. „Drittmittelprojekte leben von Menschen“, weiß der Dekan. Matthias Fonger, Geschäftsführer der Bremer Handelskammer, sagt, ein „erhebliche Mangel an Ingenieuren sei für die Unternehmen schon jetzt absehbar. Aber während Großunternehmen mit ihrer bundesweiten Personalsuche immer noch Bewerber finden könnten, hätten Mittelständler das Nachsehen. Nun wollen die Uni gemeinsam mit der Kammer eine Werbekampagne starten, um Abiturienten für den Ingenieurberuf zu begeistern.

Viel zu lange hatten die Katastrophenmeldungen vom Arbeitsmarkt junge Leute abgeschreckt, den dornigen Weg der Ingenieursausbildung zu gehen. Die Unternehmen setzten bei ihren Schlankheitskuren Anfang der Neunziger Jahre auch tausende Ingenieure auf die Straße, Berufsanfänger hatten kaum eine Chance auf einen Job. „Menschen, die Ingenieurwesen studieren, sind konservativ“, sagt Professor Aufschnaiter, „sie reagieren zyklisch“. Denn man studiere das nur, wenn man auch einen Job bekommen könne.

Nicht nur die Studienanfänger, auch die Fachwelt im Verein Deutscher Ingenieure und den Berufsverbänden hat den Bedarf lange falsch eingeschätzt und die Bewerber nicht zu antizyklischem Verhalten angespornt. „Jetzt geht das Geschrei los“, sagt Aufschnaiter.

Wenn es nicht bald gelingt, wieder mehr junge Leute für das Ingenieurstudium zu gewinnen, dürfte auch die an den Hochschulen bereits aufgeflammte Strukturdiskussion lauter werden. Denn auch in Bremen wird unter den Fachbereichen um eine Neuverteilung von Geld und Stellen diskutiert, auch weil die Lasten der geistes- und sozilawissenschaftlichen Fächer gestiegen sind. Da weckt es Begehrlichkeiten, wenn Ingenieur-Profs nur Kleinstgruppen unterrichten.

Die Ingenieure in Bremen dürften nur noch wenige Jahre Zeit haben, den Trend zu wenden. In wenigen Jahren steht an der Universität der große Generationswechsel an, wenn die Masse der Gründungsprofessoren in den Ruhestand geht. Wer heute Personalstellen hergibt, muß damit rechnen, daß sein Fach beim großen Umbruch weiter ausgedünnt wird. Joachim Fahrun

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