piwik no script img

Die Mütter der Junkies

Hamburger „Elternkreis Drogenabhängiger“ feiert sein 20jähriges Bestehen und meldet Kritik an der Hamburger Drogenpolitik an  ■ Von Elke Spanner

Der erste Tip auf dem Faltblatt des „Elternkreis Drogenabhängiger“ raubt alle Illusionen: „Sehr wichtig ist es für Sie zu begreifen, daß Sie der Sucht gegenüber absolut machtlos sind.“

Auf diesem Rat basiert die Arbeit des Elternkreises, der gestern sein 20jähriges Bestehen feierte. Die nüchterne Bilanz soll den Angehörigen von DrogenkonsumentInnen jedoch nicht allen Mut nehmen, sondern vielmehr den Blick umlenken: von den Sorgen um das suchtkranke Kind hin zu sich selbst. Denn, so heißt es am Ende des Ratgebers: „Lassen Sie sich durch die Probleme des Kindes nicht auffressen.“

Das Motto hält sich auch Dörthe Müller-Hauschildt täglich vor Augen. Sie ist Mitglied im Elternkreis und Mutter eines Mannes, der seit Jahren harte Drogen konsumiert. „Heroin, Kokain, Tabletten, ach“, sagt sie und winkt ab, „ich frage ihn gar nicht mehr, was er nimmt.“ Wer das erste Mal den Elternkreis aufsucht, so hat sie erfahren, hofft auf Tips, wie das Kind von der Droge wegzubekommen ist. Stattdessen „rate ich ihnen, sich lieber mehr um sich selbst zu kümmern“.

Auch sie hatte das erst lernen müssen. Auch sie gehörte zu den Müttern, die immer dachten, „ich hab alles im Griff, mir passiert sowas nicht“. Bis sie von der Sucht ihres Sohnes erfuhr. Karin Junge-Mahncke, Vorsitzende der Selbsthilfegruppe, beschreibt den Teufelskreis, in den die Eltern zunächst geraten: „Sie fühlen sich schuldig und glauben, versagt zu haben.“ Vor allem Mütter würden die Schuld zunächst bei sich selbst suchen, weiß Müller-Hausschildt, während die Väter mit dem Problem oftmals nichts zu tun haben wollten. Deutlicher Ausdruck dessen: Im Elternkreis sitzen fast ausschließlich Frauen.

„Wenn es meinem Sohn schlecht ging, ging es mir auch schlecht. War er gut drauf, war ich es auch“, beschreibt Müller-Hauschildt, was man als Co-Abhängigkeit bezeichnet. Sich abzugrenzen, trainieren die derzeit rund 120 Elternteile, die die Selbsthilfegruppe aufsuchen, in Einzelgesprächen, bei Gruppen-abenden und in Seminaren.

Schon bei der Gründung vor 20 Jahren wurde der Elternkreis vom damaligen Hamburger Drogenbeauftragten unterstützt. An der gestrigen Jubiläumsfeier nahm Gesundheitssenatorin Karin Roth (SPD) teil und fand lobende Worte für die „Experten in eigener Sache“. Umgekehrt hatte Junge-Mahncke für die Hamburger Drogenpolitik allerdings nicht nur Lob übrig: Es fehlten Therapieplätze im ambulanten und Langzeitbereich, die Öffnungszeiten der Beratungsstellen müßten dringend ausgeweitet und der Nachsorgebereich verbessert werden.

Elternkreis-Tel.: 439 51 11

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen