: Der neue Trend der Albatrosse zum Fehlwurf
■ Alba Berlins Basketballer verpassen den vermeintlichen Pflichtsieg gegen die Kroaten aus Zadar und stürzen in der Europaliga weiter abwärts
„Ich sage es nicht“, sagte Svetislav Pesic nach der herben 78:85-Niederlage in der Max- Schmeling-Halle gegen KK Zadar über die Situation in der Europaliga-Gruppe C, „aber man könnte sagen, daß wir bisher am wenigsten gezeigt haben.“ Das, was dem Alba-Coach so überaus ungern über die Lippen kam, ist schwerlich von der Hand zu weisen. Nach der fünften Niederlage im fünften Europaligamatch steht der Deutsche Meister einsam am Tabellenende, ist eines von drei Teams, die in dieser Saison noch kein Europaliga-Match gewonnen haben, und schwebt in akuter Abstiegsgefahr. Der harsche Sturz in die Niederungen der europäischen Elite trifft Trainer, Spieler, Umfeld, Medien und Publikum schwer, auch wenn er nach der durch unverhoffte Abgänge erzwungenen Neuformierung einer sehr jungen Mannschaft nicht ganz unerwartet kommt. Trotz souveräner Vormachtstellung in der Bundesliga ist das Wort Krise allgegenwärtig, und Pesic hat zunehmend Schwierigkeiten, sich derartige Anwürfe vom Leibe zu halten. Auch der Verweis auf die ungebührliche Stärke der Gruppe C zieht seit Donnerstag abend nicht mehr, denn die Kroaten aus Zadar spielten zwar streckenweise gut, sind aber alles andere als eine europäische Basketballgröße. Gegen die ersten vier Alba-Gegner – die Europacupgewinner der letzten beiden Jahre, Olympiakos Piräus und Kinder Bologna, der als ZSKA Moskau getarnte Vizeweltmeister Rußland und die starken Türken von Ülker Istanbul – kann man gewinnen, hat es in der Vergangenheit auch getan, muß man aber nicht. Gegen Zadar jedoch, das hatte auch Pesic vorher gesagt, war ein Sieg Pflicht.
Die Hoffnung der 5.844 Zuschauer, daß dieser gelingen möge, konnte eigentlich schon nach knapp sieben Minuten begraben werden. Da hatte Zadar einen 4:8-Rückstand in eine 18:8 Führung verwandelt und den Gastgebern, wie es Trainer Pesic später ausdrückte, „die mentale Kraft“ geraubt. Die Schlüsselszene war eine unglückliche Aktion des Neuzugangs Franko Nakic, der Mujagic bei einem Verzweiflungsdreier in der letzten Sekunde der Angriffszeit foulte. Der Ball flog wunderlicherweise in den Korb, der anschließende Freiwurf auch. Damit stand es 8:8, und fortan trafen die Würfe der bis dahin hochnervösen Kroaten, und wenn nicht, schnappten sie den Rebound und versuchten es nochmal. Alba dagegen führte die ganze Palette der aktuellen Defizite vor. Nakic und Spielmacher Kiwane Garris, beide erst spät für den zurückgetretenen Henning Harnisch und den geflohenen Russen Karassew verpflichtet, wirkten wie Fremdlinge, fast sämtliche Distanzwürfe gingen daneben, und unter dem Korb war die Unterlegenheit fast peinlich.
Unter solchen Umständen reduzieren sich die Angriffsoptionen der Berliner im Prinzip auf Wendell Alexis, doch das wußte auch der Gegner und meldete den treffsicheren Schützen durch Mehrfachdeckung zunächst komplett ab. Nur zwei Würfe wurden ihm vor der Pause gestattet, einer traf. Präziser ließ sich die Alba- Misere kaum auf den Punkt bringen.
Solange weder Garris, Nakic oder Rödl, alle drei durch Verletzungen gehandicapt, noch die jungen Ballverteiler Bogojevic und Pesic in der Lage sind, den Rhythmus des Spiels zu bestimmen, die Angriffe in Ruhe auszuspielen und überraschende Aktionen zu inszenieren, heißt die Devise: Ball zu Wendell. Wird diese durchsichtige Taktik unterbunden – und die meisten Europaligateams sind dazu in der Lage –, bricht Panik aus in Albas Reihen, und es kommen Negativserien zustande wie jene von 0:17 zu Beginn der zweiten Halbzeit, als der Rückstand gar auf 24 Punkte anwuchs.
Daß Alba, als alles verloren schien, wieder ins Spiel fand und sogar noch Siegchancen hatte, lag vor allem an Geert Hammink (19 Punkte) und Marko Pesic (22), die sich energisch weigerten, dem Trend zum Fehlwurf zu folgen. Symptomatisch für diese Europaliga-Saison ist allerdings, daß solche Aufholjagden, die in den Vorjahren meist von Erfolg gekrönt waren, derzeit stets im Sande verlaufen. Bei der Ausgeglichenheit der europäischen Topteams sind es das Quentchen Erfahrung, die Winzigkeit Glück, die kleine Portion Ruhe, der Schuß Genialität, die am Ende Spiele entscheiden. Von allem hat Alba im Moment zu wenig. Svetislav Pesic hat dennoch die Hoffnung nicht aufgegeben, daß sich dies bald ändert. „Theoretisch“, doziert er, „ist es nicht unmöglich, die nächsten fünf Spiele zu gewinnen.“ Matti Lieske
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