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Ein Sado-Maso-Trip besonderer Art?

betr.: „Ein total anderer Liebesbegriff“ (Interkulturelles),

taz vom 19.10.98

[...] Der Afrikaner, schwarz, warm, sinnlich, das ist das Bild vom Objekt ihrer Begierde, das sich die selbstbewußte deutsche Frau am Ende des Jahrhunderts nach politischer Emanzipation und Frauenbewegung genüßlich gönnt. Zumindest ist dies das Bild, das Renate Baum von uns weißen Frauen mit afrikanischen Partnern entstehen läßt.

Weshalb nur läuft es mir kalt meinen weißen Rücken hinunter, wenn ich vom „Afrikavirus“ lese, der bewirken soll, daß weiße Frauen nach schwarzen Männern süchtig werden? Warum bloß fühle ich mich befremdet, wenn ich so wohlmeinend auf Beziehungsfallen hingewiesen werde, die im unterschiedlichen Liebesbegriff, in der latenten Polygamie und der Männergruppenbezogenheit liegen sollen, die typisch seien für alle afrikanischen Kulturen? Sollte es sich etwa um unzulässige Pauschalierungen handeln, um eine ungeheuerliche Vermengung eurozentrischer Überheblichkeit (heute leistet sich die „kopfige Frau“ mal einen ästhetischen Schwarzen) mit gleichzeitiger Selbsterniedrigung der weißen Frau (wird der Mann fallengelassen, leidet die Frau nämlich unter starken Schuldgefühlen) – nichts anderes also als ein Sado-Maso-Trip besonderer Art?

Aber nein, alles, was Frau Baum zur „Psychodynamik schwarz-weißer Beziehungen“ vermitteln möchte, ist doch nur, daß es in binationalen Beziehungen nicht etwa individuelle Mann-Frau-Probleme gibt, sondern daß vor allem nachhaltige kulturelle Unterschiede darin wirken. Nun wird mir manches klarer. Nur eines nicht: Was ist denn die „afrikanische Kultur“? Was verbindet einen Igbo aus Ostnigeria mit einem Wolof aus Senegal? Suchen wir doch wie Frau Baum den gemeinsamen Nenner bei den afrikanischen Männern – da bleibt nicht viel, bis auf die Hautfarbe (und die angeborene Sinnlichkeit?). Und bei den weißen Frauen? Der Hunger nach Exotik, nach dem Ausleben sexueller Wunschträume? Ein trauriges Bild ist es, was die taz unter Berufung auf die selbsternannte Fachfrau da gezeichnet hat von Menschen, denen jegliche individuelle Entwicklungsfähigkeit unabhängig von kulturalistischen Zuschreibungen abgesprochen wird. [...] Veronika Kabis-Alamba, Vorstandsmitglied der iaf Saarbrücken

[...] Frau Baums Versuch, die Attraktivität des „anderen“ hervorzuheben, führt sie zurück zu primitiven Verallgemeinerungen, die schwarzen Menschen seit Jahrzehnten aufgedrückt worden sind: Mythen über sexuelle Promiskuität, eine auf genetischer Grundlage basierende Tendenz zu Tanz und Musik und eine kindische Faszination von weißen Frauen, besonders denjenigen mit großen Geldbeuteln und laut tickenden biologischen Uhren.

Es ist schade, daß Frau Baum es nicht geschafft hat, die vielen Paare ausfindig zu machen, die aktiv gegen jene sozialen Ungerechtigkeiten wie Rassismus, Sexismus und Homophobie kämpfen, welche ihre persönliche Bindung täglich gefährden. Es ist schade, daß Frau Baum und einige ihrer Untersuchungsteilnehmerinnen afrikanische Männer nur als eine willkommene Abwechslung von der Norm wahrnehmen: Schokoladenaroma anstelle der langweiligen, altbekannten Vanille.

Frau Baum, falls Sie und Ihre selbstbewußten Kolleginnen sich für Würziges interessieren, würde ich Ihnen die oberste Etage des KaDeWe empfehlen. Ansonsten, lernen Sie zu akzeptieren, daß es Kulturen und soziale Strukturen sind, die Unterschiede konstruieren, und daß Menschen von sich aus erst einmal alle gleich sind. Amy Evans, USA

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