■ Bewegungsmelder: Was Männer lieben
Sie fühlt sich gut an und blitzt verheißungsvoll. Nichts wie ran. Die Kleine ist allerdings ziemlich eng. Ein paarmal wippen – gute Federung. Auch das Fahrgestell stimmt. Jetzt einen Gang raufschalten. Mmmh, wunderbar, nur der Bierbauch ist leicht eingeklemmt. Billig ist sie allerdings nicht: 44.000 Mark. Dafür stimmt die Leistung. A-klassig eben.
In diesen Hallen kann Mann noch richtig Mann sein, hier bleibt Mann unter sich – auf der Automobilmesse. Die Auswahl ist schier unerschöpflich. Hunderte von Angeboten, aus allen Kontinenten. Bei der Schwarzen mit den sanften Rundungen steht Mann schon Schlange. Ein rasantes Coupé. Geduldig warten, bis der Vordermann fertig ist, dann kommt der nächste. Hinterher muß Mann unbedingt noch den Katalog mit allen Modellen einstecken. Der Eintritt war schließlich nicht billig. Also: Alles mitnehmen, was es kostenlos gibt.
Noch so eine Süße. Lupo heißt sie. Ihr Händler wirbt: „Würden Sie gerne einen kleinen Wolf zähmen?“ Klar, will Mann. Dafür ist Mann ja schließlich hergekommen. Denn Mann ist Fachmann und will alles testen. „Fahr'n wir bei dir oder bei mir?“ fragt Lupo keß im Prospekt.
Nur keine Erschöpfung zeigen. 93.000 Mark? Das ist fast geschenkt. Entspanntes Lächeln, Bierfahne. So wenig Geld für diese Souveränität, diese zeitlose Schönheit, diese Weltpremiere. Sehnsüchtiger Blick auf den geschmeidigen Jaguar. „Das ist doch auch für eine Frau wunderbar?!“
Die ganze Woche über ist Mann in Scharen gekommen, an die 200.000. Stundenlang kann Mann hier umherstreifen und mit Kennermiene in die Gegend gucken. Lack und Leder lassen das Herz höher schlagen. „In ein ganz Fettes“ möchte jetzt mal der picklige Jüngling. Sein Kumpel kommt gleich mit.
Das Wichtigste ist die Edel-Einkaufstüte aus Papier. Quasi das Erkennungszeichen des Insiders. Darin stecken Kataloge, T-Shirts zum Wechseln und die Modelle in klein, zum Spielen.
Das geilste Modell dreht sich in der Mitte, ganz in Rot. Der Ferrari unter den Angeboten. Da bleibt der Mund offen. In Gedanken ist Mann schon drin und hebt ab. Nur ganz wenige dieser rassigen Italienerinnen gibt es überhaupt. Das erhöht den Reiz. Bella Italia, im Hintergrund die Toskana-Fototapete. Die drei Tenöre jubilieren aus den Boxen.
Wo sonst gibt es diesen Genuß für 17 Mark, alles inklusive? Die Zeit ist fast unbegrenzt. Alle Modelle öffnen sich bereitwillig für jedermann. Die Automobilmesse – das letzte Paradies für den Mann auf Erden. Jutta Wagemann
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