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„Leben nahe Null“

■ Arzt muß Patientin 450.000 Mark zahlen

Die bislang höchste Schmerzensgeldsumme gegen einen Hamburger Mediziner hat gestern das Landgericht Hamburg verhängt. Professor Dr. S. vom Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE) muß einer Patientin 450.000 Mark Schmerzensgeld bezahlen, weil er eine dringend notwendige Operation unterlassen hat.

Damit habe er einen „Behandlungsfehler mit gravierenden Folgen“ begangen, so das Gericht. Zudem muß der Mediziner „der Patientin alle weiteren materiellen und immateriellen Zukunftsschäden ersetzen“. Zusammen mit Ersatzzahlungen an die Sozialversicherung der Patientin dürfte diese Summe das Schmerzensgeld „voraussichtlich nochmal weit übersteigen“, vermutet deren Rechtsanwalt Wilhelm Funke.

Der Mediziner hätte nach Ansicht der Kammer seine Patientin nach der Diagnose sofort operieren müssen. Mit der Entfernung einer diagnostizierten Dermoid-Zyste am Darm wäre die Krankheit „in einem überschaubaren Zeitraum“ heilbar gewesen. Statt dessen habe der Arzt trotz zwischenzeitlicher Infektion „die Zyste erst nach mehreren Wochen sowie nicht restlos entfernt“.

Die Frau, die zu Beginn der Erkrankung vor neun Jahren 50 Jahre alt war, mußte sich unzähligen Nachfolgeoperationen mit längeren Klinikaufenthalten unterziehen, darunter der Entfernung von Steiß- und Kreuzbein. Viele ihrer Körperfunktionen sind ausgefallen, sie ist bettlägerig und muß rund um die Uhr versorgt werden. Zudem, so die Kammer, bestehe bei den Dauerfolgen „weitere Verschlimmerungstendenz“, obwohl „die private Lebensgestaltung“ der Patientin bereits jetzt „auf ein Ausmaß nahe Null gesunken“ ist. smv

Az: 323 O 49/96

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