: Herz-Kreiseln bis es schwindelt
■ Morgen tanzen die Derwische: Das Galata Mevlevi Musik- und Sema-Ensemble tritt im Sendesaal von Radio Bremen auf
Zum Bild vom Derwisch wird in Konzertbesprechungen gerne mal gegriffen, wenn man wilde Bühnenaktionen beschreiben will. Das hat durchaus Tradition. War doch das Klischee vom sich ekstatisch im Kreise drehenden Derwisch seit dem ausgehenden Mittelalter in Europa ein verbreitetes Sinnbild für das Befremdliche, Unverständliche und zugleich auch irgendwie Faszinierende der islamischen Kultur, wobei allerdings abwertende Konnotationen überwogen.
Dabei ist Derwisch ursprünglich die Bezeichnung für die asketischen Bettelmönche im Islam, die VertreterInnen der islamischen Mystik (Sufismus), deren Rituale ganz unterschiedliche Ausprägungen haben. Aber beim Galata Mevlevi Musik- und Sema-Ensemble, das am Samstag in Bremen auftritt, handelt es sich in der Tat um die im Kreis tanzenden Derwische.
Der türkische Mevlevi-Orden geht auf einen der bekanntesten islamischen Mystiker zurück: Mevlana Jalaludin Rumi. Rumi wirkte im 13. Jahrhundert in Konya, der Hauptstadt des Seldschuken-Reiches. Er zählt zu den Klassikern des Sufismus, war einer der einflußreichsten Philosophen und Literaten der islamischen Mystik. So bestimmte auch der Mevlevi-Orden das geistige Leben im Osmanischen Reich über Jahrhunderte entscheidend mit.
Das von Rumi begründete Sema-Ritual der tanzenden Derwische, der Kreistanz, repräsentiert eine spirituelle Reise. Sich wie alles Lebendige drehend, wächst der tanzende Derwisch durch Liebe, er rotiert um sein Herz, die ausgestreckten Arme symbolisieren die liebende Umarmung aller göttlichen Geschöpfe, so überwindet er sein Ego, begegnet der göttlichen Wahrheit und erreicht in der Vereinigung Perfektion. Genauso festgelegt wie der Tanz sind Melodie und Rhythmus der Musik.
Der Auftritt des Ensembles besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil trägt das siebenköpfige Ensemble klassische osmanische Musik vor. Mit Ney (Schilfrohrflöte), Tanbur (Langhalslaute), Kamanche (einer Dornfiedel) und Quodoum (Trommel) sowie Gesang werden überlieferte Vertonungen der Gedichte Rumis präsentiert. Im zweiten Teil findet dann das eigentliche Sema-Ritual statt. Fünf Tänzer werden den legendären Kreistanz, der sich ganz allmählich in schwindelerregendes Tempo steigert, vorführen. Angetrieben von den musikalischen Lobpreisungen des Orchesters.
Der Auftritt des Ensembles bietet einen Vorgeschmack auf das Pro Musica-Antiqua-Festival von Radio Bremen im kommenden Monat (22.-25.4.), das diesmal sakrale Musik spiritueller Bewegungen in den Mittelpunkt stellt. Arnaud
Konzert morgen, Samstag, um 20 Uhr im Radio-Bremen-Sendesaal
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen