piwik no script img

■ StandbildZivilisationsschutt

Themenabend „Lustobjekt Auto“, So., 20.45 Uhr ff, Arte

Wenn Gott dereinst vernunftbegabte Wesen in unserem Zivilisationsschutt einen Katalog der Frankfurter IAA finden lässt, werden sie jede weitere Suche nach Spuren hochentwickelter Kulturen entnervt aufgeben. Denn hier hat der fleischgewordene Irrsinn alljährlich Freigang.

Arte bemüht eine Art Reflexion, die, zum einen, der Autoabhängigkeit etwas Panoptikumhaftes andichten will und, zum anderen, sie liebend gerne auf andere Völker delegieren möchte. Diesmal mussten die Italiener dran glauben. Doch dieses Italien ist überall. „Ein schnittiger Wagen und eine schöne Frau – das Erfolgsrezept für einen traumhaften Sommer!“ So paraphrasiert die Kreatur ihr blondinozentrisches Weltenbild, in dem asexuelle Rennfahrer mit Designerkinn gallonenweise darmwarmen Champagner abspritzen. Irgendwelche Schlitze und Ritzen, in denen man herumfingern kann, hat noch jedes Automobil. Am liebsten würde man noch Mikrofone in den Motorraum pflanzen, und das Lenkrad ist echt 'ne haptische Sensation. Zeitgenossen, denen man nicht im Hellen begegnen möchte, faseln von Leidenschaft, und ihre Augen werden glasig, wenn sie auf ihre eigenen Unfallfotos sabbern. „Bei 245 km/h hab ich den fünften Gang eingelegt, und es kam nichts.“ Das sind Sorgen.

Die O-Töne klingen, als berichteten Kriegsverbrecher davon, wie spaßig die letzte Massenvergewaltigung war. Doch, doch: Einspielungen historischer Filmfetzen erinnern beklemmend an Kriegsbilder und die dümmlichen Posen durchgeknallter Autobesitzer an den Stolz von Wehrmachtsangehörigen vor/hinter/neben strangulierten Partisanen. Das Automobil ist und bleibt eben der tiefergelegte, Blech gewordene Wille zur Macht. Nicht umsonst heißt das Ticket für dieses Paralleluniversum in der BRD „Führerschein“.

„God loves cars!“, quiekt eine Nonne aus den USA in die Kamera. Okay, ein Grund mehr, ihren Boss wenn schon nicht für tot so doch für mindestens hochgradig bekloppt und kreuzgefährlich zu halten. Michael Y. Rudolf

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen