Perschaus Freudenhaus

■ Der Amtssitz des Finanzsenators ist ein kunstgeschichtliches Kleinod: Wo heute nach Kräften gespart wird, hängte man 1928 noch Lapislazuli über die Heizung

Selten hat Bremens Finanzsenator dieser Tage Gelegenheit zur Freude. Die spärlichen Anlässe werden dafür besonders ausgekos-tet. Wenn Hartmut Perschau (CDU) beispielsweise BesucherInnen durch seinen Amtssitz führt, kommt er aus dem Strahlen gar nicht mehr heraus. Die Veröffentlichung des Buchs „Haus des Reichs“ war dem Hausherrn ein willkommener Grund, auch die exklusiveren Räumlichkeiten dieser architektonischen Pretiose für die Presse zu öffnen. Schon das Foyer und die Treppenhäuser versetzen den Senator in Entzücken. „Alles reines Art déco“, schwärmt Perschau ein ums andere Mal. Vorher hat er bereits die Bescheidenheit des neoklassizistischen Baukörpers gelobt.

Davon kann drinnen keine Rede sein. Spätestens in der ersten Etage wird klar, dass die Bauherren 1928 an der Ausstattung nicht knausern mussten. Die Flure ließen die Architekten Gebrüder Gildemeister mit kostbarem Makassar-Ebenholz täfeln. Doch so richtig ausgetobt haben sie sich erst in den Arbeitszimmern der Familie Lahusen, die das Verwaltungsgebäude einst für ihre Delmenhorster Firma „Nordwolle“ errichten ließ. Jedes Vorstandsbüro darin in einer Grundfarbe. Ganz vornehm bis heute – das blaue Zimmer. Weil es keinen blauen Marmor gibt, wurde teures Lapislazuli als Heizungsabdeckung gewählt. Darüber ein gewaltiger Messingkronleuchter. Ebenso wie die aufwendigen Holzintarsien sind sie noch in der ursprünglichen Form erhalten. Das Ganze wirkt kein bisschen protzig – dank der klaren Formen des art déco.

In seinem eigenen Arbeitszimmer merkt Perschau launig an, dass der Adenauer an der Wand nicht zur Originalausstattung gehört. Überhaupt seien Adenauer-Bilder in Bremischen Amtsstuben ja eher eine Novität, freut sich der Senator am eigenen politischen Erfolg. Über ein Rundtreppenhaus mit Sternenhimmel-Mosaik und 20 Meter langem Messing-Beleuchtungskör-per geht es dann hinab in den Keller – zur Haustechnik. Die gesamte Schaltzentrale ist mit grauem Marmor verkleidet und rundet den Eindruck vom Haus als „Gesamtkunstwerk“ ab.

Als einziges öffentliches Gebäude Bremens neben dem Rathaus steht es deshalb komplett unter Denkmalschutz. Den beansprucht Perschau sogar für den Namen „Haus des Reichs“. An ihm sei die wechselhafte Geschichte des Jahrhunderts ablesbar.

Nach dem Konkurs der Nordwolle – nur sechs Monate nach Fertigstellung des Gebäudes – übernahm das Reichsfinanzministerium das Haus 1934. Dann zogen auch Reichsstatthalter und Gauleiter ins neue „Haus des Reichs“ ein. Den Namen, argumentiert Perschau, ließen selbst die amerikanischen Besatzer unangetastet, als sie hier nach 1945 ihr Hauptquartier einrichteten. Seinen Ursprung aber deshalb in die Weimarer Republik vorzuverlegen, wie im Vorwort des Senators zur Haus-Chronik geschehen, ist vielleicht dennoch etwas übertrieben. not

Das Buch: „Haus des Reichs“ – Von der Nordwolle zum Senator für Finanzen. Architektur und Geschichte eines Bremer Verwaltungsgebäudes, Bremen 1999, Hrsg.: Der Senator für Finanzen