Fisch des Jahres: Dinosaurierhafte Rückenschilde
■ Staustufen, Wasserverschmutzung und Überfischung haben den Gemeinen Stör auch aus der bremischen Weser vertrieben
Der Stör ist ein Riese, doch das hat ihm wenig geholfen. Seit den 30er Jahren dieses Jahrhunderts gilt der urige Wanderfisch, der ein Gewicht von bis zu 300 Kilo erreichen kann, in der Weser und in den anderen großen deutschen Flüssen als ausgestorben. Überfischung, Flußverschmutzung und -regulierung, die Zerstörung der Laichplätze haben seine Population an den europäischen Küsten bis auf Restbestände vernichtet. Jetzt hat der Gemeine Stör, Fam. Acipenseridae, vom Lachs den Job als „Fisch des Jahres“ geerbt, um Public Relations für sich selbst und andere Wanderfische zu machen.
Im 19. Jahrhundert, bevor man zwischen Bremen und Hameln acht große Staustufen errichtete und so die Weser in einzelne mehr oder weniger voneinander isolierte Bereiche zerhackte, war der Stör noch eines der beliebtesten Fangobjekte. 1860 soll ein Fischer in der Lesum ein Exemplar von 375 Pfund gefangen haben. Ein paar Jahre später wurde an der Unterweser ein ganzer „Zug“ von 30 Stören beobachtet. In der Folgezeit nimmt die Größe der gefangenen Tiere kontinuierlich ab – bis 1938 einer der letzten Weserstöre ins Netz geht. Gleich dem Stör, der nur zum Laichen das Meer verlässt, verschwanden auch andere Wanderer wie Flußneunauge, Meerforelle, Lachs oder Flunder aus der Weser.
Doch während beispielsweise Lachs oder Meerforelle seit einigen Jahren wieder vermehrt beobachtet werden – auch in der Weser –, ist der Stör nach wie vor verschollen. Die letzte größere Population lebt im Schwarzen Meer. Immerhin: In Deutschland hat sich inzwischen eine „Gesellschaft zur Rettung des Störs“ gegründet, die sich um die komplizierte künstliche Vermehrung des Fisches bemüht. Aus Beständen der französischen Gironde wurden Jungfische geholt, die hierzulande aufgepäppelt werden sollen, um dann in der noch unverbaute Oder ausgesetzt zu werden. Die Sportfischerschaft unterstützt das Naturschutzunternehmen
Indes: Der Riesenfisch mit der langen Nase und den dinosaurierhaften Rückenschilden ist dort, wo er noch vorkommt, weiterhin bedroht. Seit jeher schätzen die besseren Klassen den Stör wegen seines zu Kaviar veredelten Rogens. Auch das Fleisch schmeckt. Stör-Freunde hoffen jetzt, dass die Zucht den Fangdruck von wilden Fischen nehmen könnte. Am Weser-Quellfluß Fulda ist es einem Händler gelungen, geschlechtsreife Tiere zu züchten – um ihnen dann per Kaiserschnitt den Kaviar zu entnehmen. hase
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen