: das kanzleramt ist fertig und sein architekt axel schultes auch
Wenn ein Haus fertig ist, gibt es keinen glücklicheren Menschen als den Architekten. Nach den Mühen der Bauzeit, dem Gerangel ums Geld und den Extrawürsten des Bauherren kann er endlich sein Kunstwerk zeigen, stolz und froh, am Ende zu sein, damit der Einzug beginnen kann.
Axel Schultes, Architekt des neuen Bundeskanzleramtes, hat gestern seinen fast fertigen Bau vorgestellt. In zwei Monaten wird Gerhard Schröder mit rund 450 Mitarbeitern seine Arbeit aufnehmen können. Die 370 Büros sind eingerichtet, die Treppenstufen und Teppichböden im Kabinettsbereich, der Kanzlerwohnung oder in der Bibliothek verlegt. In den verglasten Wintergärten der langen Bürotrakte wachsen die Bäume.
Dass hier und da geschraubt, Leitungen verlegt werden, die großen halbrunden Scheiben noch nicht geputzt sind und der Staub aufwirbelt, ist geschenkt. Der 465 Millionen Mark teure, 36 Meter hohe und mit 300 Metern gigantisch lange Regierungssitz wird im April
bezogen. Schröder und Gattin Doris sind dabei, Möbel und Bilder für die Kanzlerwohnung auszusuchen. Everybody happy?
Axel Schultes war es gestern nicht. Irgend jemand hatte den Architekten, der das Kanzleramt gemeinsam mit Charlotte Frank 1994 entwarf, wieder einmal angemacht. Zu hoch, zu momumental, zu protzig wie die Neue Reichskanzlei von Albert Speer sei das Haus entstanden. Bei so viel fragwürdigem Beifall muss einem doch die Führung vergällt werden.
Warum regt sich Schultes auf? Natürlich erscheint das Haus zu klotzig, steht es doch wie selbiger auf der Wiese im Spreebogen. Doch den „Solitär“ als Machtzentrale und Pendant zum Reichstag wollte nicht Schultes, sondern Kohl. Und was heißt „Machtzentrale“? Ist sie vielleicht keine? Außen ja, doch innen nicht, geht man durch die fließende Raumskulptur bis ins Kanzlerzimmer. Mit 130 Quadratmetern ist es das kleinste in der Geschichte der Republik. ROLA/FOTO:AP
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