: „Meine Herren, Sie sind Monster“
Nord-Süd-Dialog? Bei der Schaltkonferenz zwischen Porto Alegre und Davos bestimmt die Kunst der Zuspitzung den Ton
aus Porto Alegre GERD DILGER
Der heftige Schlagabtausch zwischen Porto Alegre und Davos (siehe nebenstehenden Artikel) wirkte anachronistisch in Zeiten, in denen der Nord-Süd-Dialog vorzugsweise auf internationalen Konferenzen und in geordneten Bahnen verläuft. Ganz offenbar setzte das Weltsozialforum in Porto Alegre bei der Liveschaltung auf gezielte Zuspitzung. Das Ergebnis war zwiespältig: Einerseits blieb das Weltwirtschaftsforum von Davos mehr als eine Antwort schuldig, andererseits traten bei den Attacken die produktiven Vorschläge zwangsläufig in den Hintergrund. Mögliche Anknüpfungspunkte für eine echte Diskussion wurden nicht gesucht – vielleicht auch als Zugeständnis an die Fundamentalisten in Porto Alegre, die auf dem Forum an der kurzen Leine gehalten wurden.
Das von brasilianischen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) dominierte Organisationskomitee hatte sich erfolgreich bemüht, militantere Aktionen zu unterbinden. So führte die Route der Eröffnungsdemo weder an einer McDonald’s-Filiale noch an den Gebäuden ausländischer Banken vorbei. Auf den zentralen Podiumsdiskussionen waren nur schriftliche Fragen zugelassen, und Sympathisanten der kolumbianischen Farc-Guerilla oder der ETA waren zwar anwesend, verloren sich aber in den mehr als 400 Workshops.
Debatten über das weitere Vorgehen standen für die NGO-VertreterInnen im Vordergrund, die das Gros der rund 4700 offiziellen Delegierten stellten. „Wir haben erlebt , dass wir stärker sind, als wir dachten“, sagte Michael Windfuhr von der Menschrechtsorganisation Fian. Zwischen den NGOs und linken AktivistInnen habe eine „erstaunliche Toleranz“ geherrscht. Allerdings mache es dieser Pluralismus schwer, gemeinsame Positionen zu erarbeiten.
Kein Wunder also, dass sich die Organisatoren auch mit ihrem Plan durchsetzten, keine gemeinsame Abschiedsresolution zu verabschieden. „Wir wollten vermeiden, Teilnehmer auszugrenzen oder ein oberflächliches Dokument zu erstellen, das keinem mehr wehtut“, umriss Maria Mendonça von der NGO „Zentrum für globale Gerechtigkeit“ das Dilemma. Der guten Stimmung an der Basis tat dies keinen Abbruch.
Die Landlosenbewegung MST, die die Kunst der Zuspitzung recht gut beherrscht, setzte zusammen mit ihren Partnerorganisationen die medienwirksamsten Akzente. Zu Beginn des Weltsozialforums besetzten rund 800 Landlose ein Gensoja-Versuchsareal des US-Multis Monsanto. Unter Beteiligung des französischen Bauernaktivisten José Bové rupften sie auf einer Fläche von zwei Hektar Sojastauden aus.
Pünktlich zu einer gemeinsamen Veranstaltung der beiden Bauernsprecher am Montagabend dann der Eklat: „Habt ihr schon mal erlebt, dass die Polizei einen Banker oder einen Monsanto-Manager abführt?“, fragte João Pedro Stedile von der MST-Spitze. „Gerade haben wir erfahren, dass sie Bové festnehmen wollen.“ Wegen Landfriedensbruchs sollte der Bauernsprecher innerhalb von 24 Stunden das Land verlassen.
Die brasilianische Regierung spekuliert offenbar darauf, mit dem Rummel um Bové die inhaltlichen Anliegen der Bauernvertreter zu übertönen. Spannungen gab es aber auch zwischen der gastgebenden Arbeiterpartei PT, die seit 12 Jahren den Bürgermeister von Porto Alegre stellt, und Teilen der NGO-Szene, die eine übermäßige parteipolitische Instrumentalisierung sah. Bis wenige Stunden vor Schluss rang das achtköpfige Organisationskomitee um den Austragungsort der Neuauflage 2002. Dann fiel die Entscheidung für Porto Alegre.
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