: Vom späten Echo eines Jodlers
Im 20. Jahr der Bandgeschichte: FSK goes Underground – revisited ■ Von Klaus Walter
„Junge, wer mit zwanzig kein Anarchist gewesen ist, aus dem wird später nie ein guter Demokrat“ – als FSK diesen „Blue Yodel für Herbert Wehner“ aufnahmen, hatten die Bandmitglieder ihre Jugendzeit ebenso hinter sich wie der Bejodelte seine Regierungszeit. 1984. Kein Mensch hatte wirklich Angst vor Big Brother. Das Album Freiwillige Selbstkontrolle Goes Underground erhielt von Hamburgs Label-Mogul Alfred Hilsberg die Katalognummer ZickZack 1789, was aber wenig Beachtung fand. Erst zehn Jahre später gaben sich Gruppen im Dunstkreis der sogenannten Poplinken den Namen „Wohlfahrtsausschuss“.
Überhaupt litt die Freiwillige Selbstkontrolle anfangs unter chronischer Nichtachtung durch ein breiteres Publikum, das sich für Bands mit vergleichbaren Namen und Intentionen durchaus begeis-tern ließ: Palais Schaumburg, Deutsch-Amerikanische Freundschaft, Fehlfarben, Einstürzende Neubauten – im Punk-Spirit auferstanden aus westdeutschen Sprach-Ruinen. Als ein FSK-Sympathisant dann noch das Prädikat „Band der deutschen Intelligenz“ erfand, waren die Münchner erst recht unten durch, unfunky by nature, „Gymnasium-Band“ (Schorsch Kamerun).
Zurück zu Herbert Wehner. Der war in seiner Jugend Anarchist, später Kommunist, Antifaschist und als BRD-Sozialdemokrat dafür verantwortlich, dass viele Menschen bis heute die Namen Wohlrabe und Todenhöfer gespeichert haben: Wehner vertrieb parlamentarische Langeweile mit Verballhornungen wie „Übelkrähe“ und „Hodentöter“ für christliche Hinterbänkler, die ohne Wehner längst vergessen wären. Wenn man davon absieht, dass Marc, der Sohn des Berliner CDU-Rauhbeins Wohlrabe, seit geraumer Zeit durch die Kanäle geistert als attraktiver Prototyp des Neuen Kreativen: dunkle Haare, dunkle Augen, stilfest und nightlife-erprobt, hat er mit dem Flyer-Magazin ein eventistisches Medienformat durchgesetzt und gilt der CDU darob als kommender Mann, ein Giovanni Di Lorenzo in rechtsliberal (und abstammungsdeutsch).
Als FSK ihren „Blue Yodel“ schrieben, waren Lebensentwürfe und Karriereoptionen der wohlrabeschen Art unvorstellbar. Zum „Underground“ des Album-Titels hatten Parteibuchträger keinen Zugang. Unvorstellbar auch, dass der catchy Refrain des „Blue Yodel“ im dystopischen Jahr 1984 eine Entwicklung antizipierte, die 17 Jahre später zu einem versöhnlichen Ende kommen sollte, dem auch Peter Boenisch und – von Metzgersohn zu Metzgersohn – Uli Hoeness („Der beste Außenminister, den wir je hatten.“) ihre Anerkennung nicht versagen mögen.
„Junge, wer mit zwanzig kein Anarchist gewesen ist, aus dem wird später nie ein guter Demokrat“ sangen FSK zu einem holpernden Art-Cow-Punk. Wer damals prophezeiht hätte, dass ein Mit-20-Anarchist mit Ende 30 einen amtierenden Bundespräsidenten im Parlament „Arschloch“ nennen dürfte, um mit 50 einen Angriffskrieg deutscher Streitkräfte zu verantworten, nun, so einen hätte man einen Konsalik auf LSD genannt, oder einen counterinsurgency-verseuchten Paranoiker. Am Ende ist es so gekommen. Allerdings sollte man die stets – wenn auch mitunter etwas kontrollfreakhaft – auf der Höhe der Zeit agierende Band FSK unbedingt in Schutz nehmen gegen Zeitgenossen, die dem alten „Blue Yodel“ aus falschen Gründen applaudieren.
Wie Reinhard Mohr und Friedrich Merz wurden die FSK-Gründer Michaela Melián, Justin Hoffmann, Thomas Meinecke und Michael Petzi in den 50ern geboren, also mittenrein in den Generation-Gap zwischen Hippie und Punk. Allerdings leiten sie aus dieser Tatsache nicht das Recht ab, Repräsentatives und Staatstragendes für „ihre Generation“ zu stiften – sei es von exlinks oder von altrechts. Zwar war der „Blue Yodel“ von '84 ein spezieller Glücksfall popkybernetischer Spekulationskunst, doch haben FSK seither immer wieder Lichtblicke der Dekonstruktion hinbekommen, wenn sie Trivialmythen mit Migrationsbewegungen konfrontierten oder Amon Düül mit Mark Twain, Roxy Munich mit Roxy Music, Karl Eduard von Schnitzler mit Mogadischu, Vater Rhein mit Tel Aviv, Gudrun E. mit Elke Sommer, Marylin Monroe mit Jane Fonda, die Nationalhymne der DDR mit „Muss I denn?“ ... auch Busta Rhymes mit Franz Josef Strauß (dem Flughafen). Inzwischen beherrschen sie ihre Instrumente und singen kaum noch.
Montag, 21 Uhr, Schauspielhaus Malersaal
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