: „Ich versteh es nicht“
Der bei Eintracht Frankfurt entlassene Trainer Felix Magath über die Umstände des Weggangs, sein Image und das Berufsziel England
Interview HARTMUT METZ
taz: Nach dem Klassenerhalt in der vergangenen Saison sagten Sie, dass sich bald auch größere Erfolge einstellen, wenn man Sie nur einmal länger arbeiten ließe.
Felix Magath: Das stimmt.
Provozierten Sie die Entlassung, wie der Eintracht-Aufsichtsrat sagt?
Mir wird vorgeworfen, ich hätte eine zu große Machtfülle verlangt. Ich kann dazu nur eines sagen: Die Problematik liegt darin, dass ich den Drei-Jahres-Vertrag, den ich unterzeichnet habe, nicht mit den Herren aushandelte, die jetzt Verantwortung tragen. Der Vertrag umfasst schriftliche Teile, die Sinn machen. Dieser Sinn scheint mir von den neuen Leuten nicht verstanden worden zu sein.
Was war faul?
Ich höre, ich hätte zu große Machtfülle. Ich habe am 1. Januar 2000 bei der Eintracht meine Arbeit begonnen und arbeitete so wie immer. Und sich dann nach einem Jahr zu beschweren, dass es so nicht richtig ist, verstehe ich nicht. Auf einmal soll alles falsch sein.
Die Vereinsoberen von Eintracht Frankfurt qualifizierten Ihre Arbeitsmethoden als steinzeitlich ab?
Fast dieselbe Mannschaft hatte in der Vorrunde 11 Pünktchen aus 17 Spielen geholt. Anschließend war das Team mit mir die drittbeste Rückrundenelf – mit meinen Methoden! So falsch können die also doch gar nicht sein.
Was führte zum Bruch?
Der neue Vorstand wie auch der Aufsichtsrat akzeptierten einfach nicht den Sinn des Vertrags. Er wurde nicht auf drei Jahre ausgehandelt, damit er nach einem Dreivierteljahr gekündigt wird. Überdies galt der Kontrakt auch für die Zweite Liga. So etwas hat es in der Bundesliga schon beim SC Freiburg gegeben. Ich verstehe die Aufregung im Vorstand nicht. Ich habe nur normale Dinge gefordert.
Es bestand also kein Verständnis für Ihre Arbeitsweise.
Exakt das ist den Äußerungen klar zu entnehmen. Die beschweren sich, dass ich alles alleine machen wollte. Klar, dass die mitmischen wollten.
Sie lehnten das ab.
Vor einem Jahr hat niemand mitgemischt – und genau deswegen verbesserten wir uns noch von Rang 18 auf einen Nichtabstiegsplatz. Anders wäre es gar nicht möglich gewesen. Das bewies ich mit meiner Arbeit. Was sollte damit verkehrt sein? Ich verstehe es nicht. Meine Arbeitsweise war bekannt und war akzeptiert. Soll ich mich um 180 Grad drehen?
Fühlten Sie sich beim 1:5 gegen Köln von Spielern hintergangen?
Ich fühle mich nicht von Spielern hintergangen. Die funktionieren immer nach dem gleichen Muster: Sie erlauben sich das, was sie sich erlauben können. Die Spieler müssen geführt werden. Wie soll ein 23-Jähriger wissen, was gut für ihn ist. Dann bräuchte man keine Erfahrung.
Galt das für Sie auch, als Sie 23 und Spieler waren?
Ja, sicher. In dem Alter fehlt einem einfach die Erfahrung.
Spürten die Spieler ihren Machtverlust und kickten also entsprechend lustlos gegen Köln?
Ich kann nicht beurteilen, ob jemand gegen mich spielen wollte. Klar war nur: Die Spieler folgten mir nicht mehr so wie vorher, nachdem sie sechs Niederlagen hintereinander kassierten. Wenn sie merken, der Trainer hat nicht mehr den Rückhalt, reagieren sie darauf.
Mit Verlaub, Herr Magath, sind Sie der „letzte Diktator Europas“? Stürmer Bachirou Salou bezeichnete Sie in der Vergangenheit einmal so.
Was soll ich zu dem Unsinn sagen? Das nehme ich nicht ernst. Er soll jetzt in Rostock beweisen, wie gut er ist. Andere Vereine wie Dortmund ließen ihn auch gehen. Und Sie glauben doch nicht, dass die einen Topspieler ziehen lassen. Er besitzt Fähigkeiten, bringt diese jedoch nicht ein.
Im Sommer wurden Sie noch von den Medien als neuer hessischer Messias gefeiert, nun gelten Sie als Paria?
Ich rettete durch meine Art und Weise der Eintracht die Bundesligazugehörigkeit. Und plötzlich mokiert man sich. Das passt nicht.
Was hat sich folglich verändert bei der Mannschaft?
Kommt man als neuer Trainer, muss sich jeder Spieler neu beweisen. Der Coach hat derweil Ruhe. Stellen sich Erfolge ein, geht es los: Der Erfolg macht bequem, und die Spieler lehnen sich zurück.
Das bedeutet: Ihre Erfolge als Retter in der Not zeitigen anschließend Probleme?
Ja, natürlich. Kein Mensch bringt ewig Höchstleistungen. Das funktioniert nicht.
Ihre Millionen-Zugänge Karel Rada und Tommy Berntsen kamen zu spät?
Es wäre besser gewesen, wir hätten die beiden im Sommer erworben. Ich bin mir jedoch sicher, dass die Eintracht mit ihnen die Klasse hält.
Ihre potenziellen Nachfolger, Otto Rehhagel, Klaus Toppmöller und Winfried Schäfer, gelten auch nicht als Erfinder des antiautoritären Führungsstils.
Das ist nicht mehr mein Problem. Ich drücke lediglich den Fans der Eintracht die Daumen, dass es mit dem neuen Trainer funktioniert. Ohne mich wäre die Eintracht, behaupte ich, nicht mehr in der Bundesliga. Ich kann erhobenen Hauptes gehen. Dafür werde ich bezahlt und so ist das Thema für mich erledigt.
Hegen Sie nach den Trainerstationen Hamburg, Bremen, Nürnberg und Frankfurt noch die Hoffnung, dem Image als Feuerwehrmann und Quälix entrinnen zu können?
Nein, natürlich nicht. Das ist ja die Katastrophe. Die Freistellung passt zu dem Image: Ein paar Monate geht’s bei Himmelfahrtskommandos, aber langfristig kann man mit ihm nicht arbeiten. Insofern war das ganz schlecht für mich.
Warten Sie auf ein neues Engagement in der Bundesliga? Oder könnten Sie sich eines im Ausland vorstellen?
Ich wollte schon immer lieber im Ausland arbeiten.
Ein bestimmtes Land?
Der englische Fußball gefällt mir. Da wird noch Wert auf den Sport gelegt. Oder auch Spanien.
Von der Mentalität her würde England zu Ihnen passen. Die Akteure bringen dem Coach mehr Respekt entgegen.
Und die Spieler besitzen eine andere Arbeitsauffassung. Die braucht man nicht anzutreiben. Sie marschieren 90 Minuten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen