: Krimi – aber realistisch
Hamburg ist die Krimihauptstadt – aber nicht im Sinne der CDU. Klassikerneuauflage von Stahlnetz am Sonntag ■ Von Magda Schneider
Obwohl am Medienstandort Hamburg wegen des Weggangs von Universal noch Katzenjammer herrscht, brauchen sich die Hamburger FilmemacherInnen in Konkurrenz zu Berlin und München – zumindest wenn es um Qualität von Krimiproduktionen geht – nicht zu verstecken.
Schon morgen steht mit einer neuen Episode des Krimi-Klassikers „Stahlnetz“ eine Studio Hamburg-Produktion im ARD-Programm - wenngleich sich auch diese Krimireihe aus den Kindertagen des Deutschen Fernsehens der Zeit anpassen musste. Galt es früher, in der von Jürgen Roland und Wolfgang Menge konzipierten Serie anhand authentischer Fälle Polizeiarbeit und Ermittlungsmethoden zwar spannend, aber auch möglichst positiv darzustellen, werden im neuen Stahlnetz mit dem Titel „Innere Angelegenheiten“ nach einem authentischen Fall Missstände bei der Polizei aufgedeckt.
Die Kommissars-Anwärterin Sandra Bienek (Stephanie Stappenbeck) beginnt ein Praktikum auf einer Hamburger Polizeiwache und wird dort mit dem Selbstmord ihrer angeblich krebserkrankten Studienkollegin konfrontiert. Schnell merkt die engagierte Kriminalistin, dass Mobbing und Korruption im Revier zum Alltag gehören und wird als „Nestbeschmutzerin“ isoliert, als sie gegen Prügelkollegen aussagt. Zwischen den Jahren 1959 bis 1969 zählten die schwarzweißen Stahlnetzfolgen zu den Straßenfegern im deutschen Fernsehen, hatten damals Einschaltquoten von sagenhaften 90 Prozent.
Auch beim Tatort wird sich der Norden nicht verstecken. Nachdem bis zuletzt die NDR-Tatortkommissare Stoever (Manfred Krug) und Brockmüller (Charles Brauer) mit mehr als 20 Jahren Tätigkeit konstante Popularität an den Tag legten, steht bereits seit einer Woche der neue Hamburger Kommissar Jan Castorff (Robert Atzorn) vor der Kamera – der sicherlich nicht als Eintagsfliege in die Geschichte der Tatort-Kommissare eingehen möchte. Zwei Folgen pro Jahr sind in Planung. Und gleich im ersten Fall wird auch er mit Ungereimtheiten innerhalb des Apparates konfrontiert: Das Bundeskriminalamt mischt sich in seine Ermittlungen ein und der Staatsanwalt versucht dieselben in eine bestimmte Richtung zu lenken, um den Mord an einen Software-Hersteller zu vertuschen.
Weiter im Trend sind auch weiter Sabrina (Despina Pajanou) und Ellen (Petra Kleinert) in „Doppelter Einsatz“. Die Serie um das weibliche Kripo-Duo vom Kiez flimmert seit 1994 so erfolgreich über die Mattscheibe, dass sie bereits als RTL-Tatort gehandelt wird. Daher hatten sich die Programmmacher des Privatsenders überlegt, mit „Doppelter Einsatz Berlin“ und „Doppelter Einsatz München“ die Serie aufzuwerten – doch der doppelte Abklatsch erwies sich bislang als mäßiger.
Auch die neuen Studio-Hamburg-Produktionen der Serie „Die Cleveren“ haben an Substanz gewonnen. Während anfangs noch der fesche Profiler Dominik Born (Hans-Werner Meyer) und die ge-stylte BKA-Frau Eva Glaser (Astrid Fünderich) holperig durch die Handlung staksten, belegen die neuen Folgen (Dienstags, 21.15 RTL), dass nicht immer nur chra-shende Autos à la „Alarm für Cobra 11“ Spannung bedeuten können, sondern auch intelligent dargestellte Themen.
Wer die heile Welt der Polizei nicht gänzlich missen möchte, kann sich jetzt wieder stets dienstags um 18.55 Uhr am NDR-Polizeimärchen Großstadtrevier erfreuen. Denn im 14. Revier in Hamburg ist die Welt noch in Ordnung und mit Dirk Matthies (Jan Fedder) als dem ungehobelten Bullen vom Kiez und Anna Bergmann (Dorothea Schenck) als blonde Deern noch zwei echte Hamburger Uddels im Einsatz. Mit 150 Folgen ist Großstadtrevier übrigens die erfolgreichste Vorabendserie der Nachkriegszeit, woran selbst legendäre Fernseh-Produktionen wie „Einsatz für Isar 12“ oder die Neuzeitproduktion „Der Fahnder“ nicht anknüpfen können. Und geistiger Vater ist, wer sollte es anders sein, Polizeifreund Jürgen Roland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen