Kunst und Reisen

Das Haus des Lehrers wird verkauft, und seine kreative Mietergemeinschaft muss raus

Seit 33 Jahren ist Jörg Köhler nun Hausmeister im Haus des Lehrers am Alexanderplatz. Der zurückhaltende, freundliche Herr kennt das von 1961 bis 1964 von Hermann Henselmann erbaute Gebäude wie kein Zweiter, es ist ihm zur zweiten Heimat geworden. Köhler ist der Held des 25-minütigen Films „Alexanderplatz 4“ von Karsten Liske und Markus Ponick, der diese Woche in der Lehrer-Lichtbild-Lounge des 7. Stocks zu sehen war.

„Mein liebster Dienstag“ hieß es nun schon zum achten Mal, und zur Musik von Schneidersbuero und Freunden gab es einmal mehr Dias, Vorträge oder Filme vor dem Hintergrund der nächtlichen Skyline der Stadt.

Was von der „Gemeinschaft der Mieter des Hauses des Lehrers“ als kulturelles Podium zur internen Kommunikation auf nichtgeschäftlicher Ebene installiert wurde, erfreut sich schon längst auch bei den zahlreichen Gästen großer Beliebtheit.

Doch dieser Dienstag hätte mit Sicherheit noch besser verlaufen können. Wer nicht nur aus den Fenstern, sondern auch in die Gesichter der Gastgeber schaute, erkannte nämlich angespannte Erschöpfung. Das Thema des gezeigten Kurzfilms traf einen empfindlichen Nerv: Seit fast zwei Jahren nutzt eine Gruppe von Architekten, Künstlern, Fotografen, Musikern, Multimediadesignern und kaufmännischen Unternehmen das Haus des Lehrers als Zwischenlösung; notgedrungen, denn der Zeitvertrag läuft aus. Am 30. Juni müssen die Mieter raus, eine Verlängerung des Vertrags ist nicht möglich.

Der Grund: Der Liegenschaftsfonds der Stadt Berlin will das Haus des Lehrers an die Investorengemeinschaft der Catering-Firma „Haus am Köllnischen Park“ verkaufen. Im Zuge dessen stünden Sanierungsarbeiten an, sprich völlige Entkernung und Umgestaltung zu Standardware-Büroflächen.

Das kann gar nicht genug beklagt werden. Denn die lose Mietergemeinschaft hat unter dem gemeinsamem Dach ein bemerkenswertes kreatives Potenzial entwickelt und auch der Immobilie eine neue Wertigkeit gegeben. Ein Großteil der Beteiligten hat von den synergetischen Effekten der Hausgemeinschaft profitiert.

Seit fast einem Jahr nun schon bemühen sich die Mieter um eine geeignete Folgeimmobilie. Der Tag des Auszugs rückt immer näher, und bislang ist trotz intensiver Prüfung geeigneter Immobilien und der Entwicklung angemessener Nutzungskonzepte für die jeweiligen Räumlichkeiten kaum etwas in trockenen Tüchern. Ein Teil der Mietergemeinschaft wird voraussichtlich in das „Haus des Reisens“ am Alexanderplatz 5 ziehen. Als Angestellter des Bezirksamts Mitte wird Hausmeister Jörg Köhler einfach in ein anderes Gebäude versetzt werden. Doch für den Rest der Mietergemeinschaft gibt es kurz vor den Deadlines für eventuelle Vertragsabschlüsse existenzbedrohende Schwierigkeiten.

Anstatt das Potenzial der „jungen Kreativen“ anzuerkennen und zu fördern, machen gerade (halb)öffentliche Verwalter hauptsächlich durch Hinhaltetaktiken auf sich aufmerksam. So entsteht leider der Eindruck, es bestünde gar kein Interesse an einer Nutzung der Immobilien, die häufig seit längerer Zeit leer stehen. Gut möglich, dass das Haus des Lehrers wie das Ahornblatt Opfer der an ihm verübten virtuellen Planung wird.

KERSTIN KOHLHAW