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Irritation und Brotzeit

■ Beliebte Themen verarbeitet: Gruppenausstellung „zwischen schwindel und raum“ bei kx auf Kampnagel

Schon wieder läuft eine Maus durch die kx-Räume – wie unlängst in der letzten Gruppenschau vor Weihnachten. Wo, das sei hier nicht verraten. Die aktuell versammelten Arbeiten – darunter viele Kooperationen – sind dem Titel zwischen schwindel und raum unterstellt, mithin den so etablierten wie beliebten Themen Täuschung, Irritation und Verstörung im Spiel mit dem Betrachter.

Das Konzept der neun KünstlerInnen aus dem Umfeld der Hochschule für bildende Künste geht besonders gelungen in einer Gemeinschaftsarbeit von Carolyn Bachmann, Birthe Iversen und Soek Lee auf: einer chronologisch ungeordneten Dokumentation des Ausstellungsaufbaus. Die Statisten im Video kommen dem Besucher im Augenwinkel als Schatten an der Wand entgegen, der eigene Schatten erscheint auf der frei hängenden Projektionsfläche – als Teil des Films.

Klassischen Schwindel erzeugt auch Francis Frank mit seiner dreidimensionalen Zeichnung aus Bindfäden. Die Säulen eines Tempels drehen sich beim Umhergehen in sich – freilich ohne umzufallen. Und im Eingangsbereich lassen Thorsten Brinkmann und M. P. Schäfer drei glanzlose Fahnen in den Weg hängen, vielleicht, um sie zum Fahneneid gegen den Schwindel von Glanz und Glorie antreten zu lassen.

Nicht eindeutig in das Konzept fügen wollen sich jedoch Brinkmanns zweiteilige Skulpturen, die andererseits sehr belustigend auf künstlerische Vorbilder verweisen: ein Lampenschirm auf einem umgedrehten Hocker, der an Du-champs „Flaschentrockner“ erinnert, oder ein äußerlich dem Beuys'schen Fett verwandter Speckstein, auf einen umgestülpten Eimer postiert. Besonders erfreulich ist die knallige Wandfarbe, die diesmal Einzug an den ansonsten blendweißen Wänden gehalten hat. Im einen Fall – „Fleischinnenrosa“ (Eva-Lotte Weigl) – hilft die Farbe den Assoziationen auf die Sprünge: die im Raum von Thorsten Brinkmann und Weigl gezeigten Bilder könnten Sexspielzeuge sein genauso gut wie Gebrauchsgegenstände. Im anderen Fall ist der gesamte Raum entsprechend der Aufteilung auf einem überdimensionalen „Glücksrad“ von Boran Burchhardt in kräftige warme Farben getaucht.

Dadurch wird der Ort zum beliebten Aufenthaltsraum der KünstlerInnen während der Ausstellungszeit. Nebenan lädt eine Installation von Burchhardt/Weigl zum Verweilen ein: Zwischen Bauzaun und miniaturisiertem Pin-Up-Girl kann man dort eine Brotzeit abhalten – „Kampfzeichnen in der Mittagspause zwischen der 2. und 3. Dimension“ genannt. Dort dann befindet man sich übrigens auch in unmittelbarer Nähe zur erwähnten Maus. Christian T. Schön

Do–So, 16-20 Uhr; bis 10. Februar 2002; kx, Kampnagel (Verwaltungsgebäude)

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