: Aufmarsch des Pop
■ Die 38. Musikschau: Zwischen Völker verbindendem Pathos, rock'n'rolliger Armeepropaganda und Military-Ethno-Party
Von Freitag bis Sonntag konnte man sich auf der 38. Musikschau der Nationen in der Bremer Stadthalle ein Bild vom Stand der jeweiligen Militärmusickultur machen. 1964 als „Militärmusikschau“ ins Leben gerufen, hat der veranstaltende Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge die Show bald umbenannt und dem Zweck der „Völkerverbindung“ überantwortet. Die acht vertretenen Militärkapellen gehören durchweg zu den Staaten der augenblicklichen Anti-Terror-Koalition. Aber auch nicht-militärische Kapellen sind zugelassen.
In der Präsentation zeigten sich dann allerdings bemerkenswerte kulturelle Differenzen. Ein Hauch vom verflossenen Glanz des British Empire wehte durch die fast ausverkaufte Stadthalle am Samstagabend, als die buntgefiederten Royal Lancers unter der Leitung von Hauptmann Jerry Young einmarschierten und ihr erstes Stück spielten: „God Bless The Prince Of Wales“.
Fast frei von schwerer Tradi-tionspflege und Marschmusik gestaltete sich die Performance der US-Army Europe Band unter der Leitung von Oberstleutnant Rotondi jr. Ihr Auftritt brachte den Spirit von Hollywood in die Halle. Fester Bestandteil des Orchesters war eine Besetzung aus Schlagzeug, Bass und E-Gitarre. So ging der swingende Fourties-Sound von Glenn Millers „In the Mood“ schnell über in die wilden 50er. Zur rebellischen Rock'n'Roll-Musik fehlten auch die rollenden Tanzpaare nicht – Jugendrevolte in US-Uniform. Die Amerikaner zeigten neben ihrer kulturellen Hegemonie: Militärmusik muss nicht „Preußens Gloria“ sei. Die langen E-Gitarren-Soli bewiesen zudem: Military goes pop.
Das Publikum – zu 90 Prozent jenseits der 50 – zerbrach sich weniger den Kopf über den weltpolitischen Überbau der Musikschau. Dennoch erhielt das Marinemusikcorps Nordsee aus Wilhelmshaven mit seinem pikanten Repertoire zwischen „I am Sailing“ von Rod Stewart und „Lili Marleen“ einen sicherlich nicht nur musikalisch motivierten Applaus.
Zur veritablen Weltnacht geriet die Musikschau in der Pause. Im Foyer sangen und tanzten Männer und Frauen der South African Navy Band in strahlend-weißen Marine-Uniformen. „Wir spielen auf traditionellen Trommeln und African Marimbas“, erklärte Petty Officer George Mac Donald. Der weiße Musiker hat wie alle Band-Mitglieder afrikanische Musik an der University of Cape Town studiert. Das umstehende Publikum war begeistert. „Echt geil“, ruft eine Frau. Und der Pförtner pflichtet bei: „Die haben Musik im Blut, die Jungs“.
Sollte es wider Erwarten einen Ort auf Erden geben, an dem Militär und Spaß zu Synonymen werden, so kann das nur auf Trinidad and Tobago sein. Denn am Stand des Trinidad and Tobago Defence Force Steel Orchestras von Kapellmeister Warrent Officer Class 1 Dennis Sucre herrschte den ganzen Abend lang kalyptische Party-Stimmung: the True Rythm of Army. Ein Pazifist, wer Böses dabei denkt. Thomas Gebel
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