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Schrotthändler der Lüfte

Die italienische Firma Panaviation verkaufte gebrauchte Flugzeugteile als neuwertig. FBI und Staatsanwaltschaft vermuten, dass die Betrüger so zwei Abstürze zu verantworten haben

aus Rom MICHAEL BRAUN

Es war ein Schwindel, wie man ihn von unseriösen Autowerkstätten kennt: Alte Teile, auf neu gewienert oder auch mal frisch lackiert, werden dem Kunden als Originalersatzteile angedient. Die sechs Betrüger allerdings, die jetzt in Rom verhaftet wurden, machten ihr Geschäft mit weit sensiblerem Gerät: mit Flugzeugteilen.

Als die Beamten am Samstagmorgen in den Hangar der Firma „Panaviation“ auf dem Flughafen Fiumicino eindrangen, fanden sie sechs schon weitgehend ausgeschlachtete Airbusse; zugleich wurden im Hafen von Neapel zwei für die USA bestimmte Container mit tausenden von Ersatzteilen beschlagnahmt. Technische Sorgfalt war bei Panaviation offenbar unbekannt: Der Ausbau wurde von unqualifiziertem Personal vorgenommen, im Lager waren die Teile Schmutz und Feuchtigkeit ausgesetzt. Ausgemusterte Altmaschinen – die sechs Airbusse kosteten gerade einmal 23.000 Euro – wurden bis auf das letzte Teil ausgeweidet. Ausgeschlachtet wurden aber auch abgestürzte Flugzeuge. So erwarb die Firma in Palermo das Wrack einer Canadair beim Schrotthändler.

Sehr sorgfältig bemühte man sich allerdings um die Fälschung der Begleitdokumente, die die Wrackteile mit gefälschten Stempeln in neues Ersatzgerät verwandelten. Offiziell nur zum An- und Verkauf von Maschinen, nicht aber zum Ersatzteilgeschäft berechtigt, war die Firma über Tochterunternehmen vor allem auf dem US-Markt tätig, während ihr Umsatz in Italien offiziell nur 1,5 Mio. Euro jährlich betrug.

Der Betrug flog eher zufällig auf: Seit 1995 ermittelt die sardische Provinzstaatsanwaltschaft von Tempio Pausania wegen eines Raubs von Ersatzteilen auf dem Flughafen Olbia. Dabei stießen die Ermittler auf ein verzweigtes Netz dubioser Firmen, darunter auch Panaviation, die alle mit Flugzeugteilen Geld verdienen.

Brisanz erhalten die Ermittlungen, an denen sich jetzt auch das FBI und die amerikanische Flugaufsicht FAA beteiligen, durch den Verdacht, von der Panaviation gelieferte Teile könnten ursächlich im Zusammenhang mit zwei Flugzeugunglücken stehen. So meldeten italienische Zeitungen, American Airlines habe die Motoren des am 12. November über Queens abgestürzten Airbus (265 Tote) von der Schwindelfirma bezogen.

Und auch die Bremsen einer im Februar 1999 auf dem Flughafen Genua bei der Landung verunglückten Dornier 328 sollen aus den Depots von Panaviation stammen. Die Maschine war damals über die Landebahn hinausgeschossen und ins Wasser gestürzt; vier Menschen starben. Der Pilot wurde wegen Fahrlässigkeit zu einer Haftstrafe verurteilt, doch er darf wohl damit rechnen, dass das Verfahren neu aufgerollt wird.

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