: Die Flügel der Kunst
Der Mann der winzigsten Würfe mit den schwersten Konsequenzen malt jetzt auch und lässt die Moleküle rasen: Die Galerie Endart zeigt Bilder des Kreuzberger Liedermachers Funny van Dannen
von SUSANNE MESSMER
Erinnert sich noch jemand an das Hochhaus mit dem wehenden Haar? An die Kaugummis, die Angst vor Zähnen haben, und das unbekannte Pferd? An Else Schtreng, wie sie erschrocken die Luke zum Nirwana zuschlägt, die sie beim Spargelputzen versehentlich aufgestoßen hat?
Weiß noch jemand, wer uns Platte für Platte und Konzert um Konzert das Leben versüßte, damals, als wir frisch in Berlin waren und noch dachten, die Menschen seien hier cool, so cool? Ja, genau. Funny van Dannen war das, der Mann mit der Holzgitarre. Der Mann der winzigsten Würfe mit schwersten Konsequenzen. Der Mann, der uns Zugereisten Wärme in die Herzen zauberte in diesen ersten Berliner Wintern, in denen man wissen wollte, „wohin die Vögel ziehen, wenn es kalt wird in Berlin“. Und erinnert sich auch noch jemand an seine Geschichten und seine Bilder? Geschichten und Bilder, die kein bisschen schlechter waren als seine Lieder?
Es ist wieder so weit. Funny van Dannen ist wieder da. Inzwischen ist Berlin ein bisschen wärmer geworden, wir haben begriffen, dass Kreuzberg oder Mitte auch nicht anders ticken als Marburg, Oldenburg oder Böblingen – aber ist das ein Grund, unseren Funny zu vergessen? Nein! Denn kaum hat er seine neue, seine inzwischen sechste Platte draußen („Grooooveman“), stellt er in Kreuzberg Bilder über Bilder aus, zwanzig, dreißig, vierzig Stück. Und wir sind wieder mal glücklich darum. Was sind das auch für schöne, bunte Bilder, die da herumhängen in der Galerie Endart in Kreuzberg! Da ist zum Beispiel dieses Bild mit den bunten Schmetterlingsflügeln, die vor esoterisch verwischtem Hintergrund aus gefärbten Ostereiern wachsen. Darüber steht geschrieben: „Auch in meinem Leben gibt es diese Momente von Sinnlosigkeit und Leere … Dann kommt die Kunst und breitet ihre Flügel aus.“ Gleich daneben hängt ein Bild mit einem Mann, der Westernstiefel und eine Batschkapp trägt, auf seinem T-Shirt steht „Fick Club“ und es hängen ihm Genitalien aus der Hose, die größer sind als sein Kopf. Er schaut auf zwei Frauen, die eine hat einen grünen Käferkörper, die andere ist ganz grau, hat keinen Hals, dafür aber hervorstechende Schamlippen. Auf diesem Bild darf man folgenden Text lesen: „Auch ich habe in meinen Bildern hin und wieder den Mann-Frau-Komplex thematisiert, aber hier ging es ausschließlich um die Wirkung der Farbe.“ Und auf dem schönsten Bild schließlich steht: „Scheiße, wieder nichts geworden! Obwohl ich schon so lange Maler bin, habe ich es noch nie geschafft, das Disco-Feeling darzustellen. Mit am schwierigsten finde ich den Rhythmus der zuckenden Leiber.“ Was auf diesem Bild zu sehen ist, möge man sich selbst ausdenken.
Es ist gar nicht so einfach, den spezifischen Humor Funny van Dannens zu erklären. Vielleicht so: Seine Hauptthemen sind Jesus und die Popmusik, die Jugend und der Fußball, die Tiere, die Liebe und der Sex. Dabei geht es um die Brechung der Gewöhnlichkeiten des Alltags, der aktuellen Sprachstereotype, Werbeweisheiten und Überschriften aus der Bild. Oder so: Wie Christian Morgenstern in seinen Gedichten lässt auch Funny van Dannen in seinen Liedern, Geschichten und Bildern die Moleküle rasen, vertauscht Metaphern und schraubt Begriffe zu Wortschöpfungen zusammen und verkleidet damit seine Kritik gegenüber Namen, herkömmlichen und abgegriffenen Vorstellungen.
Vor allem aber findet man eines in seinen Bildern: Dieses Gefühl, das jeder noch aus der eigenen, unglücklichen Kindheit kennt: Malerei ist eigentlich bescheuert. Wenn man sie nicht beherrscht, muss man dauernd Dinge als gegeben hinnehmen, die man eigentlich anders haben wollte, sie lassen sich nicht mehr löschen. Dann schreibt man in seiner Not dazu, wie sie eigentlich hätten werden sollen, und macht alles noch schlimmer. Und außerdem ist Malerei blöd, weil man sie sich übers Sofa hängen kann. Weil es Leute gibt, die sich Bilder kaufen, damit sie mit ihrer Einrichtung harmonieren. Andererseits. Es wäre natürlich schon interessant zu erfahren, wie sich Menschen einrichten, die Bilder von Funny van Dannen kaufen, die übrigens, wenn sie groß sind, 2.000 Euro kosten.
Bis zum 10. April in der Galerie Endart, Oranienstraße 36, Di–Sa 16–20 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen