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: Wie Nürnberger Fans ihren Trainer retten

Ein Herz für Auge

Es roch nach Abschied im Frankenstadion zu Nürnberg. Ach was: Es stank. Der Club hatte auch diese Partie längst verloren – und Klaus Augenthaler, der Trainer, damit seinen Job. Jedenfalls hatte Michael A. Roth, der Präsident, das Szenario so festgeschrieben, lange vor der Partie. Im Branchenjargon nennt man das Schicksalsspiel.

Und dann ist alles doch ganz anders gekommen, wunderbar anders und ziemlich einzigartig. Ganz unverhofft nämlich hat es das Schicksal gut gemeint mit Auge, dem Trainer – vor allem aber die Fans. Haben wild gepfiffen und gebuht, als die Mannschaft vom Rasen schlich, diese Verlierer. Und haben dann angefangen, just den zu feiern, der doch eigentlich hätte gefeuert werden sollen. „Auge, Auge, Auge“, haben sie gesungen, immer wieder und aus voller Brust und dazu Transparente entrollt, mit aufgemalten Herzen und einem Auge drauf. Ein Herz für Auge sollte das heißen.

Irgendwann ist Auge dann wieder herausgekommen aus den Katakomben, in die er sich nach der Niederlage, der 14. in dieser vermaledeiten Saison, seiner dritten beim Club, zurückgezogen hatte. Er ist hinübergeschritten in die Kurve, zu den Fans, ganz alleine. Und dann hat er sich ein Mikrofon geschnappt und hat Worte des Dankes gerichtet an die, die ihn so sehr gestützt hatten im vielleicht schwersten Moment seines Trainerlebens. „So etwas“, hat Auge gesagt, „habe ich in meiner ganzen Karriere noch nicht erlebt“, was viel heißen mag, schließlich war der Mann mal Welt- und zig Mal deutscher Meister. Dann hat Auge hinzugefügt, dass er noch nicht wisse, ob er weiterarbeiten könne beim Club, es ist ja auch nicht leicht. „Aber für euch würde ich es tun“, hat Auge gesagt. Da haben die Fans wieder seinen Namen gesungen. Es war ein sehr bewegender Moment an einem sehr bemerkenswerten Abend, einem Abend, wie es ihn noch nicht oft gegeben hat in der Bundesliga, wenn überhaupt.

Die Fans, so könnte man sagen, haben sich ein Stückchen zurückgeholt von ihrem Fußball, in dem sie die gängigen Mechanismen außer Kraft gesetzt haben, wenigstens für einen Abend. Und auch der Präsident hat das verstanden, verstehen müssen. „Er bleibt unser Trainer“, hat Michael A. Roth jedenfalls gesagt.

Wie’s weitergeht beim Club? Vielleicht werden sie absteigen. Vielleicht wird der Präsident dann sein Wort vergessen und den Trainer doch noch feuern. Vielleicht aber schaffen sie auch den Klassenerhalt – mit Auge oder besser: wegen ihm. An diesem wunderbaren Abend war das fast schon egal.

FRANK KETTERER