: Kollektives Knabbern an der Biomöhre
Ob Mensa oder Krankenhaus: Dort, wo für viele gekocht wird, ist Biokost oft selbstverständlicher Teil des Angebots. Experten halten höhere Preise für gerechtfertigt: Heute sei den Leuten ihr Essen sowieso weniger wert als noch 1950
Bernd Gutschow ist ein Beispiel. Als Koch im Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe bemüht er sich seit acht Jahren darum, in der Krankenhausküche mehr Bioprodukte einzusetzen. Es gibt Biobrot und Biomilchprodukte, außerdem ist das vegetarische Menü ausschließlich mit Biogemüse gekocht.
Die Zahl derer, die auf Bio setzen, mimmt zu. In Großküchen von Krankenhäusern oder Mensen ist Biokost längst selbstverständlicher Teil des Angebots. Auch Kitas haben in den vergangenen Jahren biologisch erzeugte Lebensmittel in ihr Angebot aufgenommen. Um die Qualität zu garantieren, muss sich seit April jeder Betrieb, der mit seinen Biogerichten werben will, zertifizieren lassen (s. Kasten).
In Pankow kochen vier Kitas ausschließlich mit Bioprodukten, weitere 11 in Pankow und Lichtenberg verwenden sowohl biologisch als auch konventionell hergestellte Produkte.
In der Kita „Murmelstein“ in Französisch-Buchholz etwa kauft Köchin Hannelore Benkert vor allem Grundlagen wie Butter, Mehl und Nudeln bei Biolieferanten. Wenn Geld da ist, gibt es auch Biogemüse. Denn nach wie vor sind Bioprodukte wesentlich teurer als Standard. Vom Bezirksamt bekommt Benkert 1,20 Euro pro Kind und Tag. Zusätzlich zahlen die Eltern im Monat 10 Euro für Frühstück und Zwischenmahlzeiten.
Brunhild Schütz kocht in der „Bambini Oase“ in Prenzlauer Berg ausschließlich Bio. Für Schütz ist Geldmangel kein Argument gegen Bioprodukte: „Alles ist eine Frage der guten Kalkulation“, ist sie überzeugt, „viele Köchinnen verrechnen sich und kaufen viel zu viel – natürlich haben sie dann am Ende des Monats ein Minus in der Kasse.“
Günther Jung weiß, dass die Klientel, für die er zuständig ist, genau kalkuliert: Am wichtigsten ist für Studierende beim Essen ein günstiger Preis, so der Leiter Lebensmitteleinkauf vom Studentenwerk. Seit fünf Jahren steht in allen Berliner Mensen ein Bioessen auf dem Speiseplan. Es ist teurer als die anderen Gerichte und wird daher seinen Sonderstatus behalten.
Hier sind sich alle einig: Trotz der zunehmenden Verbreitung wird Bioessen teurer bleiben als konventionelle Gerichte. Der Preis sei gerechtfertigt, weil Ökonahrung nachhaltiger ist, findet Ulrike Hohmut von der Gesellschaft für nachhaltige Stadtkultur Pro Agora: „Biologisch hergestellte Nahrungsmittel werden in Handarbeit hergestellt, ohne chemische Hilfsmittel. Das schont die Umwelt. Und das spart auf lange Sicht wiederum Kosten.“ Verbraucher müssten Prioritäten setzen: „Heute wird viel weniger Geld für Lebensmittel ausgegeben als noch 1950.“
Michael Wimmer vom Brandenburgischen Förderverein Ökologische Landwirtschaft (FÖL) glaubt, dass es in Zukunft zwei Bioschienen geben könnte: Eine exklusivere und eine „für die Masse“ in den Supermärkten. „Wenn McDonald’s irgendwann auf die Idee kommt, Bioessen anzubieten – umso besser.“ Hinter den Kulissen werde jedoch über Preisdumping diskutiert. Schließlich dürfe die Qualität auf keinen Fall leiden.
DINAH STRATENWERTH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen