: Arafat will heute Notstandskabinett vorstellen
Vor dem Amtssitz des Palästinenserpräsidenten bilden Friedensaktivisten weiterhin „menschliche Schutzschilde“
JERUSALEM taz ■ Dem blutigen Terroranschlag am Wochenende in Haifa folgend, forciert Palästinenserpräsident Jassir Arafat die Bildung einer neuen Regierung. Noch heute, spätestens morgen, soll das nur sieben Mitglieder umfassende Notstandskabinett unter der Leitung des seit Sonntag offiziell amtierenden Premierministers Ahmed Kurei (Abu Ala) dem Parlament in Ramallah vorgestellt werden. Die Notstandsregierung kann ohne Vertrauensabstimmung der Abgeordneten für einen Monat agieren. Arafat hatte bereits Anfang der Woche den Ausnahmezustand ausgerufen.
Grund für sein plötzliches Handeln war offensichtlich die Sorge vor israelischen Maßnahmen gegen ihn und die Hoffnung auf US-amerikanische Rückendeckung für den neuen palästinensischen Regierungschef. Abu Ala sprach von einer „chaotischen Situation“. Die Notstandsregierung ist ein erster Schritt, um die Lage zu stabilisieren und möglicherweise konkrete Maßnahmen gegen die militanten Islamisten einzuleiten. Auf israelischer Seite wurde die relative Ruhe der letzten drei Wochen darauf zurückgeführt, dass die religiösen Extremisten nicht für eine Exilierung Arafats in Folge eines Terrorattentats verantwortlich gemacht werden wollten. Dem entgegen wird auf palästinensischer Seite nicht ausgeschlossen, dass das Attentat gerade darauf abzielte, Israel mit dem Anschlag in Haifa zu Maßnahmen gegen den Palästinenserpräsidenten zu provozieren und auf diese Weise Arafat ein für alle Mal loszuwerden.
Der israelische Friedensaktivist Uri Avnery glaubt, der einzige Grund dafür, dass Israel noch nichts unternommen hat, sei Druck aus Washington. „Der Plan (Premierminister Ariel) Scharons ist, Jassir Arafat umzubringen, sobald es einen guten Vorwand dafür gibt“, meint Avnery, der unmittelbar nach dem Attentat mit weiteren sieben Israelis nach Ramallah reiste, um dort dem Palästinenserpräsidenten als „lebendiges Schutzschild“ zu dienen. Zusammen mit weiteren 20 Aktivisten des „International Solidarity Movement“ richtet sich der 80-jährige Avnery bis auf weiteres ein. „Wir schlafen alle zusammen in einem großen Raum auf dem Fußboden“, berichtet er der taz und hofft, dass mit der Anwesenheit israelischer Staatsbürger in Arafats Amtssitz „das Unglück im Augenblick verhindert werden kann“. Der Palästinenserpräsident, mit dem er fast täglich zu Mittag isst, sei nach „einer schweren Grippe, die ihm auf den Magen geschlagen hat“, wieder bei besserer Gesundheit. SUSANNE KNAUL
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