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Logik kostet nichts

Die Abstimmung des EU-Parlaments über eine neue Richtline für Softwarepatente hat selbst radikale Kritiker überrascht: Die Abgeordneten wollen den Softwarekonzernen Grenzen setzen

von PETER MÜHLBAUER

Der Sitzung des Europäischen Parlaments vom 24. September gebar ein Monster der Verwaltungssprache. Das Papier, dem eine Mehrheit der Abgeordneten am Ende zugestimmt hat, trägt den Titel „Richtlinie für die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen“.

Nur nach genauer Lektüre des Textes erschließt sich der tiefere Sinn dieser Worte. Ohne Software ist zwar jeder Computer, daher auch jede „computerimplementierte Erfindung“ nichts weiter als ein nutzloser Haufen elektronischer Bauteile. Doch die Mehrheit des Parlaments möchte offenbar, dass Patente, die ausschließlich das logische Innenleben solcher Maschinen betreffen, nicht zulässig sein sollen. Insbesondere sollen Programmiermethoden frei veröffentlicht werden dürfen, und auch der Austasch von Daten zwischen verschiedenen Systemen soll frei bleiben.

Weil zuletzt auch die Befürworter von Softwarepatenten versuchten, ihre Ideen als Begrenzung der Patentierbarkeit von Programmcodes zu verkaufen, und weil innerhalb von 40 Minuten über 78 Änderungsanträge abgestimmt wurde, herrschte noch einige Zeit nach der Abstimmung Verwirrung, ob das Ergebnis eine tatsächlich wirksame Einschränkung gewährleistet. Doch nach eingehender Lektüre der verabschiedeten Änderungsanträge am ursprünglichen Entwurf hellten sich die Mienen der Gegner von Logikpatenten auf: „Ich denke, wir haben etwas Wunderbares erreicht“, gab James Herald, Mitglied der Eurolinux-Arbeitsgruppe zu Softwarepatenten, zu Protokoll.

Tatsächlich setzt der Richtlinientext gleich an mehreren Stellen wirksame Grenzen gegen die Monopolgelüste von Softwarekonzernen. Der Artikel 3a legt fest, dass Datenverarbeitung als solche nicht als „Gebiet der Technik“ eingestuft werden kann. In den Artikeln 2c, 4.3a und 5 wird der Begriff der Technik als „Kontrolle von Naturkräften“ definiert. Am deutlichsten ist schließlich die Definition in Artikel 2d, die den Begriff „Industrie“ patentrechtlich auf die automatisierte Herstellung materieller Güter eingrenzt.

Zufriedene Kritiker

Erik Josefsson von der skandinavischen Linux-User-Gruppe SSLUG griff zu gewagten Bildern, um seiner Erleichtrung Ausdruck zu geben. Der Begriff „computerimplementierte Erfindung“ sei damit kein „Trojanisches Pferd“ mehr, sondern „eine Waschmaschine“. Auch Hartmut Pilch vom Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) hält die Richtlinie in ihrer jetzigen Form für eine „echte Begrenzung“ der Patentierbarkeit. Durch die angenommenen Änderungsanträge sei die „Stoßrichtung“ des Richtlinienvorschlags der Europäischen Kommission umgekehrt worden, sodass die Richtlinie jetzt „im Wesentlichen“ den Forderungen der viertel Million Unterzeichner der Petition gegen Softwarepatente entspricht.

Einige Formulierungen jedoch, die noch in einer zweiten Lesung weiter präzisiert werden müssen, machen den Patentkritikern weiterhin Sorgen. „Die Erwägungen wurden nicht gründlich abgeändert“, bemerkt Jonas Maebe, Belgischer Vertreter des FFII, der zurzeit im Europäischen Parlament arbeitet. „Eine davon behauptet immer noch, dass Algorithmen patentierbar sind, wenn sie ein technisches Problem lösen.“ Aber auch er meint: „Wir haben alle Zutaten für eine gute Richtlinie. Wir konnten die grobe Form vorgeben. Die Nachbearbeitung kann jetzt folgen. Der Geist der Europäischen Patentübereinkunft wurde zu 80 Prozent bestätigt, und das Parlament ist in einer guten Ausganglage, um die verbleibenden Widersprüche in der zweiten Lesung auszubessern.“

Etwas verhaltener optimistisch sagt Michael Frenzel vom Internet-Provider 1&1, einem der Unternehmen, das die Parlamentarier eindringlich vor den Folgen von Softwarepatenten gewarnt hatte: „Immerhin dürfen wir Europäer auch weiterhin E-Mails ganz legal nach Datum sortieren.“ Auch Oliver Lorenz vom Berliner Softwareunternehmen Magix begrüßt die „klaren Limits der Patentierbarkeit softwarebezogener Entwicklungen“. Aber beide warnen davor, dass die bereits eingetragenen Schwarzpatente weiterhin eine wirtschaftliche Gefahr darstellen. Abhilfe, so Lorenz, könne hier eine Beweislastumkehr bei Löschungseinreden gegen offensichtlich unrechtmäßig eingetragene Patente schaffen.

Volksparteien gespalten

Die parlamentarischen Mehrheiten für die angenommenen Änderungsanträge setzten sich aus sehr unterschiedlichen politischen Gruppen zusammen – eine Folge der intensiven, zunehmend auch in der Öffentlichkeit wahrgenommenen Debatte der letzten Monate. Alle kleineren Fraktionen mit Ausnahme der Liberalen unterstützten relativ geschlossen die Anträge zur Begrenzung von Softwarepatenten, während die Großen gespalten waren. Ihre Berichterstatter Arlene McCarthy und Joachim Würmeling hatten versucht, die Fraktionen auf strengen Patentkurs zu trimmen, scheiterten aber offenbar an der öffentlichen Debatte. Der Empfehlung der sozialdemokratischen Sprecherin der Patentbefürworter, Arlene McCarthy, folgte nur ein Drittel der eigenen Abgeordneten. Sogar der für seine Nähe zur Patentbewegung bekannte SPD-Abgeordnete Willi Rothley, der sich in letzter Zeit scharfer Angriffe wegen allzu selbstgefälliger Äußerungen zur Diätenerhöhung der Parlamentarier erwehren musste, stimmte unerwartet kritisch.

Die Softwareunternehmerin Laura Creighton vermutete nach der Abstimmung: „Jetzt werden die Leute, die behauptet haben, einen Schlamassel nach US-Vorbild vermeiden zu wollen, aber in Wirklichkeit den Entwurf nur deswegen mochten, weil er genau so etwas ermöglicht hätte, ihr wahres Gesicht zeigen müssen. Ich wage die Vorhersage, dass ein guter Teil davon behaupten wird, dass wir es in der jetzigen Form nicht durchsetzen dürfen, weil wir ein Gesetz brauchen, das uns den USA und Japan ähnlicher macht, um unsere Handelspartner nicht zu verärgern.“

Tatsächlich haben Regierungsvertreter der USA umgehend den Ausgang des Votums kritisiert. Und EU-Kommissar Bolkestein hatte schon vor der Abstimmung im Tonfall eines Monarchen des 19. Jahrhunderts gedroht, dass die Kommission dem Parlament bei einer ihm nicht genehmen Entscheidung die Richtlinie entziehen wolle.

Öffentlicher Druck

Die Softwarekonzerne wie auch Bolkestein setzen jetzt auf den Ministerrat: ein ohnehin wenig öffentliches Gremium, das seine Patentpolitik zudem einer Arbeitsgruppe überlässt, die hauptsächlich aus standesbewussten Patentjuristen besteht. Doch die öffentliche Diskussion wirkt weiter. Sie hat bereits zur Modifikation des ebenfalls umstrittenen Entwurfs für eine „Richtlinie zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum“ geführt. Er wird maßgeblich von Jannelly Fourtou vorangetrieben, der Gattin des Chefs des Mediengiganten Vivendi Universal. Fourtou möchte selbst geringfügige und unabsichtliche Urheberrechtsverletzungen unter harte Strafen stellen. Nun aber sind alle Patente aus dem Tatbestandskatalog der Richtlinie herausgenommen, weil die Frage des Patentschutzes momentan zu „komplex und heikel“ sei.

peter.muehlbauer@gmx.net

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