piwik no script img

Liebe an der Ostsee

Ein Mann holt ein Schiff nach Hause: Erbaut wurde die Gorch Fock im Jahre 1933 und stand dann jahrzehntelang im Dienst der sowjetischen Marine

VON RASSO KNOLLER

Wenn Peer Schmidt-Walther von seiner Gorch Fock spricht, leuchten seine Augen, als ginge es um eine Frau. Ebenso schwierig, wie es manchmal ist, eine Frau zu erobern, war es auch, das Segelschulschiff in seinen alten Heimathafen Stralsund zurückzuholen. Dort steht es inzwischen und ist der Stolz der ganzen Stadt.

Erbaut wurde die 3-Mast-Bark im Jahre 1933 und bis Ende des Zweiten Weltkriegs war sie in Stralsund als Kadettenschulschiff zu Hause. Um es nicht als Kriegsbeute in die Hände der heranrückenden Roten Armee fallen zu lassen, wurde es schließlich in der Nacht zum 1. Mai 1945 im flachen Sundgewässer vor den Toren der Stadt versenkt. Mehr als zwei Jahre lag es dort auf Grund, bevor es gehoben, restauriert und schließlich unter dem Namen Towarischtsch im Dienst der sowjetischen und später ukrainischen Marine die Weltmeere durchkreuzte.

Schicksalstage kommen oft unscheinbar und völlig unbemerkt daher – und ein solcher war für die Towarischtsch der 17. August 1993. Damals ging das Schiff das erste Mal seit Jahrzehnten in seinem ehemaligen Heimathafen Stralsund vor Anker – und damals trafen sie das erste Mal zusammen: Peer Schmidt-Walther, der sich in das Schiff verliebte, und die Towarischtsch, die ihrem Retter begegnete, denn ohne den damaligen Marineoffizier wäre das Segelschulschiff einige Jahre später sicher irgendwo abgewrackt worden.

Als das Schiff 1995 von der ukrainischen Marine ausgemustert wurde, begann eine lange Odyssee. Viele potenzielle Liebhaber warfen ein Auge auf die Meeresschönheit. Ihr Weg führte zuerst nach England und später dann nach Wilhelmshaven – als aber klar wurde, dass die alte Dame ein teures Lifting über sich ergehen lassen musste, suchten die potenziellen Freier schnell das Weite. Für diese hohen Kosten wollte keiner mehr wirklich aufkommen.

Nur einer blieb – Schmidt-Walther. Der bemühte sich immer noch um das Schiff. Der aber hatte – wie viele aufrichtige Liebhaber – nicht das nötige Kleingeld, um seine Angebetete endlich nach Stralsund heimzuholen. Auf der Suche nach Sponsoren, die seine Leidenschaft teilten, stieß er zunächst sogar in Stralsund auf taube Ohren. „Oberbürgermeister Harald Lastovka zeigte nur verhaltenes Interesse“, erzählt Schmidt-Walther im Rückblick lachend.

Er sitzt in der Nachmittagssonne an Bord seiner Gorch Fock und erzählt von den unzähligen Problemen; vom Geld, das fehlte, von den engstirnigen Politikern, aber auch von der großen Unterstützung, die er erfuhr, und den freiwilligen Helfern und ABM-Kräften, die heute das Schiff wieder in Stand setzen.

Und dann erzählt er vom 29. November 2003, als das Schiff im Hafen von Stralsund vor tausenden Zuschauern umgetauft wurde – und seinen alten Namen Gorch Fock zurückerhielt. Und wenn Peer Schmidt-Walther von diesem Tag spricht, dann leuchten seine Augen noch mehr. Zumindest scheint es so. Denn die Taufpatin war damals seine Frau Rosemarie, und dann bemerkt man, dass der Offizier eben doch nicht nur Schiffe liebt.

Förderverein Gorch Fock e. V., Tel. (0 38 31) 29 45 81, kontakt@psw-am- sund.deTourismuszentrale der Hansestadt Stralsund, Alter Markt 9, 18439 Stralsund, Tel. (0 38 31) 24 69-0, Fax (0 38 31) 24 69-49 info@stralsundtourismus.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen