: Der beste Fan der Liga
Der Gevelsberger Kay Müller verdient sein Geld als Maskottchen in der Basketball-Bundesliga. Und das gleich bei mehreren Clubs. Das coming-out als ideeller Gesamtfan könnte für Ärger sorgen
VON SVEN PRANGE
Schön bunt sind sie – scheinbar. Der Löwe bei den Bayer Giants Leverkusen, der etwas entartete Hund bei den Telekom Baskets Bonn oder „Airwin“ bei den Union Baskets Schwelm. Kein BBL-Club, der seine Anhänger bei Heimspielen nicht von einem mehr oder weniger lustigen Maskottchen unterhalten lässt. So vielfältig wie es scheint, sind diese indes gar nicht. Denn das Innenleben der Viecher ist in der Regel identisch: Unter den Kostümen steckt ein und derselbe Mann – Kay Müller aus Gevelsberg im Ennepe-Ruhr-Kreis. Fast die Hälfte der BBL-Clubs greift auf die Dienste der Ein-Mann-Agentur aus dem westfälischem Niemandsland zurück, wenn es darum geht, die Fans zu bespaßen.
Der 26-Jährige ist ein Macher. So sieht er sich am liebsten. Kurze, blonde, gegelte Haare, stylische Apartmentwohnung. Die eigene Agentur als Solo-Betrieb: XL-Action. Dazu ist er gekommen, wie die Jungfrau zum Kind. Friseur hat der Unterhaltungskünstler eigentlich gelernt. Ein Freund hat ihn dann irgendwann unter ein Kostüm gesteckt. Das kam an. Müller war begeistert, die Bespaßten auch. Also wurde aus Kay Müller XL-Action.
Jetzt sitzt er in seinem Wohnzimmer und möchte am liebsten nur von seinen Figuren erzählen. Der Künstler selbst will sich nicht in die Karten schauen lassen. „Das könnte Ärger geben, wenn die Fans erfahren, dass unter den verschiedenen Kostümen der gleiche Mensch steckt.“ Schließlich kommt es zu pikanten Begegnungen. Als vor zwei Wochen die Schwelmer Baskets in Bonn antreten mussten, steckte Kay Müller unter dem Bonner Hund. Beim Rückspiel in wenigen Monaten wird er dann den Schwelmer Hund „Airwin“ mimen – und die dortigen Fans gegen die Bonner anpeitschen.
Dazu kommt es, weil Kay Müller noch (fast) alles selbst macht in seiner Agentur. „Ich stecke in der Regel persönlich unter den Kostümen“, erzählt der Jungunternehmer. Nur in Ausnahmefällen lässt Müller sich von einem seiner sechs Aushilfen vertreten. Schließlich legt Kay Müller hohe Maßstäbe an sich und seine Arbeit. „Da kann man nicht irgendwen unter das Kostüm packen – dann wird das nichts“, glaubt der Meister-Animateur. Denn Sport-Fans wollen professionell belustigt werden. Die Sport-Arena als Orchestersaal. So klingt es bei dem Gevelsberger. „Wenn ich mit den Fans etwas anzettele, dann vereint das die gesamte Anhängerschaft des Vereins in der Halle“, sieht Müller sich als Bindeglied zwischen den Tribünen.
Das ist mitunter richtig Arbeit. „Ich schwitze während eines Basketball-Spiels bestimmt genauso viel, wie ein Spieler“, vermutet das menschliche Maskottchen. Denn so ein Kostüm – von Kay Müller immer selbst entwickelt – besteht aus dickem Stoff und Kunststoff und wiegt gut und gerne 15 bis 20 Kilogramm. Manchmal ist diese Plackerei umsonst. „Wenn die Mannschaft schlecht spielt, kann ich als Maskottchen auch nichts anrichten.“ Denn der Schwelmer „Airwin“, der Leverkusener „Bayer-Löwe“ und wie sie alle heißen, brauchen die sportliche Vorlage durch die Ball-Profis. „Wenn ich als einziger am Rand stehe und die Arme hochreiße, hat da kein Mensch etwas von“, erfuhr Kay Müller. Vielleicht sucht er deswegen sein Glück auch auf anderen Feldern. Unter den KölnArena-Maskottchen, dem Obi-Biber oder den Figuren bei der letzten Tournee von Alt-Barde Udo Jürgens steckte ebenfalls, man ahnt es schon, Kay Müller.
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