: Lieber billig als tot
Während Hamburgs Kliniken privatisiert werden sollen, versucht Bremen, dies zu verhindern. Aber die Konkurrenz niedersächsischer Billig-Krankenhäuser und Fallpauschalen drücken auf die Bilanz
von Jan Zier
Es brodelt in der norddeutschen Krankenhauslandschaft, und in Bremen ganz besonders: Zwei der vier städtischen Kliniken weisen allein für 2003 einen Bilanzverlust von jeweils 7,7 Millionen Euro aus, das größte hat sogar ein Defizit von 10,4 Millionen Euro eingefahren.
Hinzu kommen, wie überall, die Auswirkungen der Gesundheitsreform: Ab 2009 greift das neue System der Fallpauschalen. Gleicher Preis für gleiche Diagnose ist dann die Devise – ganz egal, wie lange eine Behandlung dauert, ganz egal, wie aufwändig sie ist.
Bremens Kliniken stehen dadurch „massive Einnahmeverluste“ ins Haus, betont Wolfgang Tissen, Geschäftsführer der Holding „Gesundheit Nord“. Die soll dafür sorgen, die kommunalen Kliniken wirtschaftlicher zu machen.
Es muss also gespart werden. Und die Zeit drängt: 2009 müssen die bremischen Krankenhäuser mit einer Fallpauschale von 2.900 Euro auskommen. Landesbasisfallwert heißt das offiziell. Gleichzeitig werden die Kliniken im niedersächsischen Umland für die Krankenkassen deutlich billiger sein – sie kommen mit einem Vergleichswert von 2.670 Euro aus. Gut für die Umland-Kliniken, schlecht für Bremen: Denn jeder dritte Patient, der dort im Krankenhaus liegt, kommt heute aus Niedersachsen. Und in einigen Hospitälern ist es sogar jeder zweite.
Bundesweit ist jedes fünfte kommunale Krankenhaus in seinem Bestand akut bedroht, schätzt Eva Müller-Dannecker, Mitglied im Aufsichtsrat der Bremer Vivantes-Kliniken, einem Verbund von zehn Krankenhäusern. Und Tissen warnt: „auch Bremens Kliniken sind ein Übernahmekandidat“. Es sei denn es gelingt, die sinkenden Einnahmen auszugleichen.
Viel spricht also dafür, das Bremen einmal mehr dem Vorbild Hamburg folgt: Dort hatte der Senat schon im vergangenen Jahr ein Privatisierungspaket geschnürt, demzufolge der Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) an den privaten Krankenhauskonzern Asklepios verkauft werden sollte – obwohl 600.000 HamburgerInnen in einem Volksbegehren gegen den Verkauf stimmten. Das Landesverfassungsgericht fand daran nichts zu beanstanden.
Offizielle Befürworter der Privatisierung finden sich in Bremen derzeit nicht: Als „kompletten Unsinn“ bezeichnete Gesundheitssenatorin Karin Röpke (SPD), gestützt auf zwei Wirtschaftsgutachten, entsprechende Gerüchte in einem Fernsehinterview. Und stützt sich dabei auf zwei Wirtschaftlichkeitsgutachten. Und tatsächlich setzt die Krankenhaus-Holding auch auf Konzentration und Spezialisierung, um zu sparen.
„Ich will keine Privatisierung“ betonte denn auch Holding-Chef Tissen gestern bei einer durch die Grünen Fraktion in der Bürgerschaft beantragten Anhörung: „Kommunale Krankenhäuser sind genauso wirtschaftlich zu führen wie Privatkliniken.“
Manche werten das als Lippenbekenntnisse. Denn Tissen selbst arbeitete bei den zum Fresenius-Konzern gehörenden Wittgensteiner Kliniken, bevor er nach Bremen kam. Fresenius gilt als heißer Anwärter auf einen Kauf insbesondere des zentralen Bremer Klinikums.
„Die Privatisierung ist nicht vom Tisch“, warnt daher auch die Vorsitzende der grünen Bürgerschaftsfraktion, Karoline Linnert.
Allein das Klinikum Mitte will in den kommenden Jahren 180 Millionen Euro investieren – finanziert durch den Verkauf von Immobilien, Sparmaßnahmen und Krediten. Können die nicht mehr bedient werden, fürchtet Linnert, „steht die Frage der Privatisierung schnell wieder auf der Tagesordnung“.
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