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Drucken statt ducken?

Schwarzgeschwängertes Papier: In der Bürgerschaft sind Bremens Presse-Jahrhunderte nachzulesen

Henning Scherf hat derzeit viele Gründe, seinen berühmten Amtsvorgänger Johann Smidt zu beneiden. Beispielsweise, weil Smidt (nach den napoleonischen Kriegen) als Wahrer der Bremer Unabhängigkeit in die Geschichte einging. Auch das Verhältnis zur lokalen Presse war für Smidt wesentlich angenehmer: Der selige Bürgermeister suchte sich den Redakteur der „Bremer Zeitung“ persönlich aus und verschaffte ihm durch Verbot der „Neuen Bremer Zeitung“ ein Berichts-Monopol. Derlei Highlights der Bremer Pressegeschichte sind jetzt in der Bürgerschaft zu studieren.

Wobei „studieren“ durchaus der richtige Begriff ist. Glasrahmen reiht sich an Vitrine, es geht nicht zuletzt ums Kleingedruckte. Da lagern die gebundenen Jahrgänge ehrenwerter Erzeugnisse à la „Staats-und Gelehrten-Zeitung des Hamburgisch unpartheyischen Correspondenten“, auch antike Ausgaben der seit 1743 gedruckten „Bremer Nachrichten“ – immerhin deutschlandweit die drittälteste, immer noch erscheinende Zeitung. Man lernt: Damals fluchten die Abonnenten nicht über Altpapierstapel, sondern trugen ihre gesammelten Zeitungen Jahr für Jahr zum Buchbinder. Wobei nicht nur die Bindung, sondern auch die oft mehrseitigen, bildlosen Artikeln eher an Romane denken lassen.

Die Bremer Zeitungsgeschichte beginnt 1632 mit einem namenlosen Produkt, dass im Zuge der „Schweden-Welle“ gegründet wurde: Deren Eingreifen in den 30-jährigen Krieg verursachte in Norddeutschland ein sprunghaft steigendes Interesse an Informationen von den Schlachtfeldern. 27 Jahre zuvor begann mit der Lizensierung der „Straßburger Relation“ die Pressegeschichte an und für sich. Deren 400. Geburtstag war für Lehrende und Studierende am „Institut für Deutsche Presseforschung“ der Bremer Uni Anlass für die Erarbeitung der Ausstellung.

Einer eher undurchsichtigen Chronologie folgend liest man sich langsam ein: „Im 6. Jahr: Ungebrochene Schlagkraft“ (Bremer Zeitung/Bremer Nachrichten von 1944), daneben seitenweise Gefallenen-Anzeigen. Dann die Blätter-Blüte nach Kriegsende, dokumentiert durch eindrucksvolle Warteschlangen vor dem Bahnhofskiosk und Erscheinungen wie „Der freie Hanseat“. Gegenüber: „Der freie Soldat“, „Organ der Garnison Bremen“ von 1918. Dazu mit „Blitzschlag im Dom“ und „Toter Wal in der Lesum“ noch manch mediales Highlight des 17. Jahrhundert. Am Ende ein Lesetisch mit einer Auswahl der 34 derzeit registrierten Bremer Printmedien, auf dem auch die schlichten Blätter der „Bremer Rundschau – Zeitung der Kommunistischen Partei Bremens“ nicht fehlen.

Was bleibt dem Betrachter? Die Lust an Trouvaillen – ob bremisch oder nicht –, etwa in Gestalt einer `54-er „Brigitte“ im Din A 5-Format. Wobei man auch wieder auf Scherf stoßen kann. Vor 28 Jahren schrieb er in der Parteizeitung: „Wir Sozialdemokraten haben viel zu oft nur über Presse geredet und uns beim Selbermachen blamiert.“ Smidt lächelt selig. Henning Bleyl

Bis 23. Juni, Mo - Fr von 10 bis 17 Uhr. 7.6.: Podiumsdiskussion zur „Zukunft der Zeitung“ in der Bürgerschaft

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