Sri Lanka: ai klagt Menschenrechte ein

■ Seit 1984 häufen sich nach Angaben der Internationalen Gefangenenhilfsorganisation die Übergriffe von Polizei und Militär gegen Tamilen / Folter und willkürliche Hinrichtungen

London (afp) - Die Gefangenenhilfsorganisation „Amnesty International“ berichtet in einem am Mittwoch in London veröffentlichten Bericht über Folterung und willkürliche Hinrichtungen sowie das „Verschwinden“ von hunderten von Personen, zumeist Tamilen, in Sri Lanka. Die Organisation fordert die Regierung Sri Lankas auf, den Ausschreitungen der Sicherheitskräfte ein Ende zu setzen und das Schicksal von hunderten von Gefangenen zu erhellen. Auf einer Liste sind insgesamt 272 Namen von Gefangenen aufgeführt, die seit ihrer Verhaftung innerhalb der letzten 20 Monate nie wieder aufgetaucht sind. Laut „Amnesty“ werden die Menschenrechte auf der Insel seit 1984, als die Tamilen den bewaffneten Kampf für einen autonomen Staat aufnahmen, systematisch verletzt. Augenzeugen berichten über Razzien in den Hochburgen der tamilischen Unabhängigkeitsbewegungen im Norden und Osten des Landes, bei denen die Polizei im Namen der „Terrorismusbekämpfung“ in manchen Dörfern alle männlichen Bewohner festnahm. In Thambiluvi im Osten des Landes zwangen die Ordnungskräfte im Mai 1985 laut „Amnesty“ 40 junge Tamilen, ihr eigenes Massengrab auszuheben, bevor sie erschossen wurden. Ehemalige Häftlinge berichten über Mißhandlungen von Tamilen während der Verhöre. Hingerichtete Personen oder nach Mißhandlungen verstorbene Gefangene werden meist verbrannt oder an unbekannter Stelle verscharrt, heißt es in dem Beicht weiter. Die Leichen erschossener Dorfbewohner werden systematisch vom Militär mitgenommen. Unter den Einzelbeispielen wird auch der Fall des 22jährigen Thambimuthu Kamalarajah aufgeführt, der im November 1984 im Distrikt Jaffna festgenommen wurde. Nachdem der Mann mehrere Tage im Militärlager von Gurunagar gefoltert worden war, verstarb er nach Angaben von Mitgefangenen in seiner Zelle. Einen Tag nach seinem Tod verkündeten die Behörden die Freilassung des jungen Mannes. Sri Lankas Regierung hat auf Anfragen Amnestys und auf die Forderung nach unabhängigen Untersuchungen sowie eines aktuellen Gefangenenregisters nicht reagiert. Jakob Sonnenschein