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„Es ist der Rassismus in unserem Land, der dem Rassismus in Südafrika zum Überleben hilft“

■ Der SPD–Bundestagsabgeordnete Günter Verheugen kritisiert die bundesdeutsche Südafrika–Politik

Verheugen hat mit seinem jüngst veröffentlichten Buch „Apartheid Südafrika und die deutschen Interessen am Kap“ eine kritische Bilanz bundesdeutscher Südafrika–Politik vorgelegt. Wer allerdings einen Lobgesang auf die Errungenschaften der Sozialdemokratie erwartet hatte, wird angenehm enttäuscht. Seit seinem Einzug in den zehnten Bundestag als Abgeordneter der SPD hat sich der frühere FDP–Generalsekretär zum Spezialisten für Südafrika entwickelt. Dies sicherlich nicht nur, weil die Fraktionsoberen ihn mit dieser Aufgabe betrauten. Verheugen hat persönliches Engagement entwickelt. Dort, wo seine Initiativen über das eng gesteckte Ziel der Fraktionsführung hinweg zielten, wurde er eingebunden, manches Mal schlicht kaltgestellt. Das Vorwort übernahm der südafrikanische Bischof Desmond der Apartheid ist“. Verheugen nimmt diesen Vorwurf zum Anlaß, Vergleiche mit der innenpolitischen Situation in der Bundesrepublik zu ziehen. Rassistische Ausländerpolitik Die rassistische Ausländerpolitik hat seiner Meinung nach denselben geistigen Nährboden wie die Unterstützung des Apartheidregimes durch die Bundesregierung und bundesdeutschen Unternehmen. „Ganze Generationen von Deutschen sind geprägt worden durch Karl–May–Lektüre, verkitschte und gefälschte Darstellungen der weißen Eroberung Afrikas, Verherrlichung des deutschen Kolonialismus, Schutztruppen–Romantik und Lettow–Vorbeck–Verehrung... Die südafrikanische Propaganda wurde also in der Bundesrepublik bereitwillig aufgenommen.“ Auf „höherem Niveau“ sieht Verheugen „Überzeugungstäter am Werk“. „Der bekannteste und einflußreichste dürfte der frühere Direktor des Hamburger Weltwirtschaftsarchivs, Professor Ortlieb, sein.“ Das Fazit: „Es ist der Rassismus in unserem eigenen Land, der dem Rassismus in Südafrika zum Überleben verholfen hat.“ In seinen Kapiteln über die bundesdeutsche Wirtschaft in Südafrika, über Rüstungs– und Nuklearlieferungen, Ölexporte und die jüngste bundesdeutsche Außenpolitik geht Verheugen nicht nur auf die ideelle sondern auch materielle Unterstützung des Apartheidregimes ein. Für Aufregung und eilige Dementis seitens der betroffenen Firmen BMW und Bayer sorgte jene Passage des Buches, in der von regelmäßigen Treffen führender bundesdeutscher Firmen und Banken mit Vertretern der regierenden Nationalen Partei die Rede ist. Daimler Benz, Magirus Deutz, Goldhofer Fahrzeugwerk Memmingen, Alfred Kärcher Winnenden - sie alle gehören zu den militärischen Ausrüstern des Regimes. Das Buch nennt Namen und Einzelheiten. Rücksichtnahme auf SPD Rücksichtnahme auf führende und seinerzeit verantwortliche Sozialdemokraten nimmt Verheugen in seinem Kapitel über die atomare Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und Südafrika. Sie beschäftigte das Bundeskabinett während der Kanzlerschaft Willi Brandts (der an der Vorstellung des Buches teilnahm und dabei eingestand, damals als Außenminister dazu geraten zu haben, „Politik und Handel voneinander zu trennen“). Tatsächlich trugen er wie auch die damaligen Minister Matthöfer, von Dohnanyi und Friederichs Verantwortung für die enge Kooperation zwischen der Kernforschungsanlage Karlsruhe, der staatlichen STEAG Essen und einem guten Dutzend Lieferfirmen mit der südafrikanischen Atombehörde. Immerhin werden vom Autor die erfolgten Lieferungen wichtiger Anlagen für die südafrikanische Urananreicherung nicht bestritten. Den Grünen bescheinigt Verheugen „uneingeschränkte Solidarität mit der schwarzen Mehrheit“. Allerdings lasse ihre Arbeit „noch kein klares und umfassendes Bild von der Südafrika–Politik“ der Partei erkennen. Eine so klare Verbindung zum ANC als der maßgeblichen Kraft des Widerstandes, wie die SPD sie gesucht hat, streben die Grünen nicht an...“ Insgesamt sieht Verheugen die Südafrika– und Namibia–Politik als Politikbereiche, an denen eine „Zusammenarbeit welcher Art auch immer und wann auch immer“ zwischen SPD und Grünen „nicht scheitern“ würde. Dem deutschen Gewerkschaftsbund bescheinigt Verheugen in der Frage Südafrika „immer ein Stück hinterher“ zu sein. das ist bei der bisherigen Hilfestellung, bsp. bei der Verladung von Rüstungsgütern nach Süpdafrika und dem Entladen „geklauten“ Urans aus Namibia sicherlich noch sozialdemokratisch–freundlich formuliert. In seinem Ausblick kritisiert der Autor die bisherige Südafrikapolitik der Bundesrepublik. „Die Bestandsaufnahme der deutsch–südafrikanischen Kooperation über die Jahre hinweg ist moralisch vernichtend... Die praktiche Politik folgt der Reagan– Administration, deren doppelte Moral in Menschenrechtsfragen geradezu notorisch ist...“ Seine Schlußfolgerung: „Gerade wer einen friedlichen Wandel in Südafrika will, gerade wer das Überlebn der Weißen am Kap sichern möchte, der muß jetzt die Verbindungslinien durchschneiden, die das Apartheid–System am Leben erhalten...“ Der Westen könnte in Südafrika starke Partner finden „an erster Stelle der ANC“. Dessen Freiheitscharta von 1955 und das Programm sei neben dem Gründungsaufruf der UDF von 1982 das politische Programm, „das als einziges eine Lösung des südafrikanischen Dramas möglich erscheinen läßt...“ Helmut Lorscheid Günter Verheugen, Apartheid, Südafrika und die deutschen Interessen am Kap. Kiepenheuer & Witsch, 284 Seiten, 18.80 DM (ISBN 3–462–01800–0)

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