: Grüne fordern: Enteignen oder kaufen!
■ Modelle zur „Neuen Heimat“: Alles ist möglich / Keine Einigung auf ein Rezept / Heute Hearing in Bonn
Aus Bonn Tina Stadlmayer
Das Thema „Neue Heimat“ hat inzwischen auch in der Bundestagsfraktion der Grünen für Aufregung gesorgt. Auf ihrer Fraktionssitzung konnten sich die Abgeordneten nicht so recht einigen, mit welchen Konzepten sie nun auf den Kauf der Wohnungen durch den Berliner Bäcker reagieren sollten. Enteignung oder Kauf durch den Bund - das war hier die Frage. Die Grünen haben sich vorsichtshalber einmal für beide Möglichkeiten entschieden. Fraktionssprecher Willi Hoss plädiert für Enteignung: „Im Falle eines Kaufes wären DGB und Banken aus dem Schneider und der Steuerzahler hätte die ganze Last zu tragen.“ Die Gegenposition vertritt Christian Schmidt, der erklärte, Bund und Länder sollen ihrer Verantwortung nachkommen, Schiesser die Wohnungen abkaufen und damit die Sozialbindung sichern. Der grüne Obmann im Untersuchungsausschuß Gerd P. Werner kann zwischen den beiden Optionen „Enteignung“ oder „Kauf“ keinen großen Unterschied entdecken: „Das ist vor allem eine politische Geschmacksfrage.“ Und genau das ist es, was Fraktionsmitarbeiter Udo Knapp so auf die Palme bringt: „Die Grünen wären ohne Hausbesetzerbewegung nicht denkbar. Deshalb sollten wir plakativ fordern: Enteignung! Die Wohnungen gehen in den Besitz der Mieter über.“ Einig sind sich die Grünen, daß (egal ob Enteignung oder Kauf durch den Bund) die Sozialbindung erhalten bleiben muß und die Wohnungen von den Mietern selbst verwaltet werden sollen. Dabei kommen drei verschiedene Formen der Selbstverwaltung in Frage: Eigentümergenossenschaften: Die Wohnungen gehören den Bewohnern, der Grund bleibt im Besitz von kommunalen Sondervermögen–Verwaltungsnossenschaften: Die Bewohner verwalten ihre Wohnungen selbst und die Häuser bleiben im Besitz des Sondervermögens, Verwaltungsunternehmen, Gemeinnützige Betriebe bewirtschaften die Mietsozialwohnungen und die Geschäftspolitik wird durch paritätische Mieterbeteiligung kontrolliert. Bei all diesen Modellen stellt sich die Frage nach der Finanzierung. Was soll mit den Schulden geschehen? Falls der Staat die Liegenschaften aufkauft, müßte er auch die Schulden übernehmen. Eine andere Möglichkeit sehen die Grünen in der Aufteilung der Schulden unter den Banken, dem DGB und der öffentlichen Hand. Die Banken sollen auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, für die restlichen Schulden müßten der Staat und der DGB aufkommen. Nach den Vorstellungen der Grünen könnte man das Schuldenproblem auch dadurch verringern, daß der Staat nur die bewohnten Grundstücke aufkauft oder enteignet. In diesem Fall würden beim DGB und bei den Banken die Masse der unverwertbaren und mit hohen Schulden belasteten Grundstücke bleiben. Die Grünen wollen ihre Forderung nach Enteignung (oder Kauf) als Signal verstanden wissen. Sie wissen genau, daß sie damit nicht durchkommen. Daß sie aber ernst genommen werden, mag die Zusage des Geschäftsführers des Haus– und Grundbesitzervereins zum heutigen Hearing der Grünen mit dem Thema: „Was geschieht mit den Wohnungen der Neuen Heimat?“ zeigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen