Todesfasten von Tamilen gegen Sri Lankas Haftbedingungen

■ Seit Wochen streiken politische Häftlinge in Sri Lanka gegen systematische Folterungen / Am Mittwoch starb der erste Gefangene, doch die Regierung Jayewardene gibt sich unbeeindruckt

Aus Madras Biggie Wolf

Ein beispielloses Drama spielt sich in diesen Tagen in den lankanischen Gefängnissen Boosa und Welikade ab. Von 175 überwiegend tamilischen Gefangenen, die dort seit Anfang September einen unbefristeten Hungerstreik durchführen, ist am Mittwoch indischen Zeitungsberichten zufolge der erste gestorben. Weitere 26 sind bereits bewußtlos, offenbar ohne daß die Regierung auf die Forderungen der Gefangenen reagiert hat oder andere Schritte zu ihrer Rettung unternimmt. Beide Knäste sind berüchtigte Verhör– und Folterzentren, die seit den großen Tamilenpogromen 1983 wiederholt in die Schlagzeilen gerieten, zuletzt im vor zwei Wochen veröffentlichten amnesty– Bericht über Sri Lanka. Im Welikade–Gefängnis in Colombo sind nach Angaben tamilischer Organisationen zur Zeit etwa 350 Gefangene inhaftiert, davon 250 tamilische. Im Gefangenenlager Boosa an der Südwestküste sind es fast ausschließlich Tamilen, zur Zeit 3.000. Nach Boosa werden vor allem diejenigen Tamilen gebracht, die bei den Razzien der Anti–TerrorismusSondereinheiten an der umkämpften Ostküste aufgegriffen werden. Nach Augenzeugenberichten wird in dem Lager, das sich in nächster Nähe der beliebten Touristenorte Hikkaduwa und Galle befindet, systematisch gefoltert. Den Gefangenen werden u.a. häufig die Nerven an Händen und Füßen durchtrennt, Finger– und Fußnägel ausgerissen, geschmolzener Kunststoff über der nackten Körper gegossen. Die Gefahr, unter der Folter zu sterben, ist groß, worauf unter anderem die ständig steigenden Verschwundenenzahlen hindeuten. So verschwanden allein zwischen Januar 1985 und Februar 86 im Baticaloadistrikt an der Ostküste über 600 Tamilen. Ein Folteropfer bekannte jüngst gegenüber amnesty international, daß es während seiner fünftägigen Gefangenschaft dreimal zur Tötung von Gefangenen durch das Personal gekommen sei. Die Überlebenden mußten die Leichen nach draußen tragen, wo diese verbrannt wurden. Da das 1981 verabschiedete Antiterrorgesetz eine 18monatige Haftzeit ohne Anklage oder Besuchserlaubnis vorsieht, dauert es lange, bis Angehörige vom Schicksal der Gefangenen erfahren.Die Gefangenen im Hungerstreik fordern dementsprechend ein sofortiges Ende der Folterungen, die Freilassung bzw. ein ordnungsgemäßes Verfahren für alle, die über 18 Monate inhaftiert sind, sowie liberalere Besuchsregelungen und bessere Versorgung. Alle Gefangenen, die verdächtigt werden, einer militanten Gruppe anzugehören, sollen in Gefängnisse verlegt und als politische Gefangene behandelt werden. Mehrere zehntausend Menschen haben in den letzten Tagen im ausschließlich von Tamilen bewohnten Norden Sri Lankas Solidaritätsdemonstrationen für die Gefangenen durchgeführt. Eine Stellungnahme der Regierung steht noch aus. Nach der letzten „Regierungsuntersuchung“ wurden nur in zwei Fällen Verantwortliche für Folterungen festgestellt.