: Gleichberechtigung oder Ende der Ausbeutung
■ Der Arbeitskreis Frauenpolitik der Grünen lud zum Kongreß „Feminismus und Ökologie“ / Von Gunhild Schöller
Ins Grundsätzliche gingen die Diskussionen zwischen grünen und autonomen Feministinnen, Ökologinnen und Frauen aus der „Dritten Welt“. Kritik am „bürgerlichen“ Emanzipationsbegriff der Realpolitikerinnen verband sich mit der selbstkritischen Forderung, den Zusammenhang zwischen Naturzerstörung, Männerherrschaft und Ausbeutung der Dritten Welt stärker in feministische Theorie und Praxis zu integrieren. Für die Frauen aus Indien und den Philippinen ging es dagegen schlicht um den „Existenzkampf“. Können Lbens– und Widerstandsformen der Frauen aus der Dritten Welt Modellcharakter haben?
Köln (taz) - „Wir Feministinnen behaupten, alles ist gesellschaftlich und sozial bedingt - Biologie, das ist der Rest, Natur ist ein Stück abgetrennter Materie“, so kritisierte Irene Stoehr, Ex–Courage–Redakteurin und freischaffende Historikerin auf der abschließenden Podiumsdiskussion des Kongresses Frauen und Ökologie sich selbst und die Frauenbewegung. Über weibliche Formen von Technik und Widerstand sollte eigentlich debattiert werden, aber die meisten Diskutantinnen gingen ins Grundsätzliche: Wie ist das Verhältnis zwischen Ökologie und Feminismus - was haben sie gemeinsam und was trennt sie? Die Frauenbewegung, so Irene Stoehr, habe sich bislang vor allem für Gleichberechtigung eingesetzt und sich in ihrem Bemühen um Emanzipation am Modell des bürgerlichen Individuums orientiert. Dieses basiere aber im wesentlichen auf der Abgrenzung gegenüber anderen und der Natur. „Ein Grund, warum so viele Frauen in der Ökobewegung sich nicht als Frauen begreifen, liegt darin, daß wir Feministinnen uns an einer unökologischen Poltik beteiligen.“ Feministinnen betrieben die Ausweitung des Staates - z.B. über die Forderungen im Antidiskriminierungsgesetz -, seien mit dem Vorwurf des „Biologismus“ schnell zur Hand und forcierten den herrschenden Fortschritt mit seinen Trennungen. Nach ihrer Einschätzung suggerierte der modische Titel Frauen und Ökologie, daß es sich bei Feminismus und Ökologie um Gleichgerichtetes handle. Aber das gegenwärtige Verständnis von Feminismus gehe nicht weit genug, sei zu sehr dem Patriarchat verhaftet, um ökologische Politik zu sein. „Feminismus und Ökologie haben viel miteinander zu tun. Da ist die Ausbeutung der Natur, der Menschen, der Frauen ganz besonders“, meinte dagegen Thea Bock, seit Jahre führende Umweltaktivistin der Hamburger GAL. Zunächst schien sie von dieser Gemeinsamkeit jedoch nicht viel zu spüren. Sie, die gestandene alternative Politikerin, bekannte, Angst zu haben vor dieser Diskussion, vor den Feministinnen mit ihren Forderungen an ihren Sprachschatz (“nach 48 Jahren lerne ich da nicht mit ganz um“) und den Anforderungen, die sie aus ihrer jahrelangen theoretischen Beschäftigung mit dem Patriarchat ableiteten. „Ich kann nicht sagen, ich bin keine Feministin - ich weiß gar nicht, wie die definiert wird“, gab sie ihre pragmatische Haltung in dieser Hinsicht preis. Sehr freundlicher Applaus aus dem Publikum - um ihr die Ängste vor diesen „harten Feministinnen“ zu nehmen? Während Thea Bock sich gegenüber feministischen Analysen und Positionen sehr aufgeschlossen zeigte, den Wunsch äußerte, voneinander zu lernen und gemeinsam stärker zu werden, stellten Feministinnen - v.a. aus dem Spektrum der autonomen Frauenbewegung - ihre bisherigen Vorstellungen von Frauenpolitik in Frage. Gegen die fundamentale Kritik an Grundpfeilern der Frauenbewegung verteidigte Marie–Louise Beck–Oberdorf (Bundesarbeitsgemeinschaft Frauen) den grünen Anti–Diskriminierungsgesetz– Entwurf (ADG–Entwurf). Schnell steckte sie jedoch zurück. Plötzlich war das ADG nicht mehr ein groß angelegter frauenpolitischer Entwurf, sondern nur noch ein „kurz gefaßtes Progamm“. Darf frau also die Forderung nach Quotierung aller Erwerbsarbeit und der einflußreichen öffentlichen Positionen nur noch als „Tagespolitik“ und nicht mehr als längerfristige Perspektive verstehen? Der Vorwurf, nur den „bürgerlichen Emanzipationsbegriff“ nachzuäffen, scheint zu treffen. Beck–Oberdorf erkannte „Berührungspunkte“ zwischen Ökologie– und Frauenpolitik, beharrte aber auch darauf, das gegenwärtige Entwicklungsstadium anzuerkennen. „Wir kommen aus dieser Industriegesellschaft nie mehr ganz raus - und das will ich auch gar nicht. Ich halte die Waschmaschine für eine Arbeitserleichterung - Wäschewaschen am Fluß, und dann ist das wieder so schön kommunikativ, nee, nicht für mich.“ Vieles aber sei überflüs sig, ein Schrumpfungsprozeß möglich. Solche „reformistischen Ansätze“ lösten die Widerrede von Maria Mies aus, Professorin an einer Kölner Fachhochschule und langjährige Feministin, die am (theoretischen) Entwurf einer „öko–feminstischen Gesellschaft“ arbeitet. „Es geht nicht um eine frauenfreundliche Welt, eine weibliche Technik, sondern um ein Ende der Ausbeutung. Der Ausbeutung der Natur, der sogenannten Dritten Welt und der Frauen.“ Maria Mies lehnt den hierzulande gebräuchlichen Fortschrittsbegriff grundsätzlich ab. „Der Fortschritt der Industrieländer ist der Rückschritt der Dritten– Welt–Länder, die Freiheit der Männer ist die Unfreiheit der Frauen.“ So sieht sie in der Forderung nach Gleichberechtigung eine Sackgasse - sie sei nur ein vergeblicher Versuch, die „französische Revolution“ nach 200 Jahren für Frauen nachzuholen. Die Neue Frauenbewegung habe da einen qualitativen Sprung vollzogen: Sie fordere nicht nur gleiche Rechte, sondern die Aufhebung der patriarchalen Strukturen. Ihre Position machte sie an ihrer Haltung zum Mindesteinkommen konkret: „Wenn es möglich ist, für alle Millionen Menschen auf der Welt ohne Ausbeutung der Natur - dann bin ich dafür. Wenn es nur für die Bevölkerung der Industrie länder möglich ist, bin ich dagegen.“ Ein Weg aus der umwelt– und frauenpolitischen Sackgasse seien „sich selbst erhaltende Systeme“ - ein Modell, das Maria Mies von ihrn Kontakten mit indischen Frauen kennt. Danach müßte eine Wirtschaftsregion im wesentlichen von den menschlichen, tierischen und natürlichen Ressourcen dieser Region leben können. Sie plädierte nicht für eine totale Abschottung, aber für mehr Unabhängigkeit vom Markt. Die Menschen gingen mit der Natur, auf deren Basis sie erfahrbar lebten, schonend um. „Maria Mies Theorie hat etwas Bestechendes“, antwortete eine Frau aus dem Publikum auf diese Vorschläge, „aber wir können den Kampf der indischen Bäuerinnen nicht einfach auf uns übertragen. Wir leben in einer Industriegesellschaft, wir können versuchen, aufzuhalten, was noch aufzuhalten ist. Und dazu brauchen wir Macht, Einfluß, bürgerliche Rechte.“ Aber auch Inderinnen haben Schwierigkeiten, die Kämpfe der westlichen Feministinnen auf sich zu übertragen bzw. überhaupt zu verstehen. Madhu Kishwr, Mitherausgeberin der indischen Frauenzeitung Manushi: „Bei uns ist Ökologie kein Problem der Diskussion. Die Frauen auf dem Land kämpfen um ihre Existenz, das sind meistens ökonomische Probleme, Probleme der Ausbeutung. Für uns Frauen aus der Frauenbewegung stellt sich nur die Frage: Unterstützen wir diesen Kampf oder nicht?“ Jing Porte, die auf den Philippinen das Womens Center, ein Institut für Bildungs– und Öffentlichkeitsarbeit leitet, versuchte die Verwirrung zu klären. An das Publikum in der Aula gewandt: „Ich will euch fragen: Was wollt ihr?“ Und dann lauter, bestimmter: „Was wollen die deutschen Frauen für ihre Gesellschaft?“ Die Frauen im Saal applaudierten, lachten auch ein bißchen verlegen. So eine einfache Frage. Und keine antwortete.
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