Reifeprüfung

■ Die KPdSU wartet ungeduldiger denn je auf Erfolge

Kurz vor dem Gipfelteffen in Reykjavik gerät Michail Gorbatschow zunehmend unter Druck. Fast täglich wird ihm bewiesen, wie dringend der Umbau der Sowjetgesellschaft ist. Konsequent hatte er die Militärs aus dem Politbüro verdrängt und ihren Einfluß in anderen politischen Gremien beschnitten. Doch die Generäle halten dagegen. Wenn es nach ihnen ginge, wäre das Atomtest–Moratorium im Sommer nicht noch einmal verlängert worden, hätte die UdSSR die Kündigung des ABM–Vertrages und von SALT II durch die US–Regierung längst mit einer weiteren Aufrüstung beantwortet. Die scharfen Reaktionen des ZK der KPdSU, dessen Mehrheit sich nun schon genötigt sieht, in Beschlüssen gegen die Bremser und „Feinde des Umbaus“ zu wettern, zeigen, wie umstritten Gorbatschows Programm inzwischen ist. Der Generalsekretär braucht den rüstungspolitischen Erfolg. Er braucht Verträge, die er freilich in Reykjavik nicht bekommen wird. Selbst ZK–Mitglied Viktor Afanassjew, Chefredakteur der Prawda, konnte in einem Leitartikel am Mittwoch nicht seine Überraschung über die Vereinbarung eines Gipfeltreffens in Island verhehlen. Doch während die Prawda bisher publizistische Schützenhilfe für Gorbatschows Politik gab, schiebt ihr Chefredakteur nun die politische Verantwortung für d der Sowjetunion die Prüfung bestehen wird? Er muß aufpassen, daß ihm die Lasten nicht zu schwer und die Gegenkräfte nicht zu stark werden. Florian Bohnsack