: Polizeiausrüstung als Entwicklungshilfe
■ In Bonn wird Guatemalas Präsident Cerezo fünf Mio. Mark erhalten / Von Gaby Weber und Michael Rediske
Heute nachmittag trifft Guatemalas Präsident Vinicio Cerezo zu einem viertägigen Besuch in Bonn ein. Bundespräsident von Weizsäcker wird ihn mit militärischen Ehren empfangen, und auch in den Gesprächen mit der Bundesregierung wird es nicht nur zivil zugehen. Der christdemokratischen Regierung, die erst im Januar die Militärs formell abgelöst hat, sollen 1986 neben der Entwicklungshilfe zunächst fünf Mio. D–Mark für die Aufrüstung der Polizei zufließen, wie das Bundesministerium für wirtschaftlice Zus
Eine „nationale Katastrophe“ nannte die parlamentarische Opposition in Guatemala die Auslandsreise und warnte den Staatspräsidenten, sie könnte seine letzte sein. Man werde im Parlament künftig gegen solche „Geldverschwendung“ stimmen. Umgerechnet etwa eine Million Mark wird der Europatrip ihres christdemokratischen Staatspräsidenten samt 50köpfigem Hofstaat die Steuerzahler Guatemalas kosten. Schließlich mochte First Lady Raquel Blandon de Cerezo in der staatseigenen Boeing 727 weder auf ihre Kammerzofe noch auf den gewohnten Coiffeur verzichten. Doch die Unkenrufe scheinen fehl am Platz. Denn der seit Januar amtierende 43jährige Christdemokrat Vinicio Cerezo wird den Millioneneinsatz wohl reichlich einspielen. Bei den Gesprächen, die er von heute bis zum kommenden Dienstag in Bonn und Hamburg führen wird, wird es schließlich nicht nur um ein anerkennendes Schulterklopfen gehen - für den ersten gewählten Präsidenten nach 16 Jahren blutiger Militärdiktaturen. Die 1980 gestoppte Kredithilfe hat Bonn bereits aufgenommen. Allein für dieses Jahr sind 50,84 Millionen DM vereinbart, davon 20 Millionen DM „Warenhilfe“. Bei diesen Lieferungen soll, so steht es im Ergebnis der Regierungsverhandlungen, „die deutsche Wirtschaft unter Berücksichtigung ihrer Wettbewerbsfähigkeit bevorzugt behandelt werden“. Unter der Rubrik „technische Zusammenarbeit“ sollen aber nicht nur acht Millionen DM für Entwicklungsprojekte abfließen. Der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Warnke, hat entdeckt, daß auch Polizeihilfe „in unser Konzept paßt“, so sein Pressesprecher Hommen zur taz. Die gibt es zwar schon seit langem, doch bisher war das Auswärtige Amt zuständig. Mittlerweile „sieht es so aus“, meint Hommen, als ob die Polizeientwicklungs– Hilfe aus Mitteln der Technischen Zusammenarbeit bezahlt werden wird. Noch nichts entschieden? Bisher hatte die Bundesregierung auf alle noch so bohrenden Anfragen der Grünen behauptet, es sei noch nichts entschieden. Hommen nun am Donnerstag zur taz: „Etwa fünf Millionen sind zunächst für Guatemala vorgese hen.“ Aus anderen Ländern gebe es zwar noch keine formellen Anträge, doch von „Anfragen“ aus Peru und Uruguay hätte er im Hause auch schon gehört. Im Falle Perus könnte die Bundesregierung vielleicht sogar auf Wohlwollen der SPD bauen: Dort regiert mit Alan Garcia ein politischer Liebling Willy Brandts. Doch bei Guatemala regt sich selbst bei denen Widerstand, die das Projekt für Minister Warnke voraussichtlich durchziehen sollen: bei der bundeseigenen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ). Dort hat die ÖTV– Betriebsgruppe die Geschäftsführung aufgefordert, „solche paramilitärischen Projekte“ nicht ins Programm zu nehmen. „Die Eile“, so ein Flugblatt der ÖTV, „mit der das Polizeiprojekt Guatemala unter Umgehung aller internen Prüfverfahren in einer Nacht– und Nebelaktion durchgepeitscht wurde, werten wir als Zeichen des schlechten Gewissens.“ Tatsächlich hatte BMZ–Minister Warnke zur „Projektprüfung“ keine Entwicklungshilfeexperten nach Mittelamerika geschickt, sondern das Feld gleich seinem Parteifreund Friedrich Zimmermann überlassen. Die Delegation, die im Juli nach Guatemala reiste, wurde von dem Ministerialrat im Bundesinnenministerium (BMI), Günter Romann, angeführt und auch ein BKA–Vertreter war mit von der Partie. Mittlerweile steht der „Bedarf“ fest: 55 Mercedes–Geländewagen, fünf Mercedes–Busse, 60 BMW–Motorräder (allesamt mit Funkausrüstung), 84 tragbare Funksprechgeräte und mehrere Video–Kameras. Und wiederum war es das Innenministerium mit Staatssekretär Spranger, das am 21. September in einem feierlichen Akt symbolisch einen Mercedes–Jeep und eine schwere BMW–Maschine an Guatemalas Polizei überreichen durfte, „damit sie schon mal sehen, wie die aussehen“. Die Bayern–Connection Als die taz im Juni der Polizeihilfe in Guatemala–Stadt nachging, hieß es dort im Staats– und im Innenministerium stets, die Ausrüstungshilfe käme „von unseren bayerischen Freunden“. Diesseits des Atlantik wird zwar emsig dementiert, daß die bayerische Staatsregierung hinter den großzügigen Geschenken steht. Doch eine Bayern–Connection drängt sich förmlich auf: Unter Umgehung des Auswärtigen Amtes wird die „neuartige“ Entwicklungspolitik (BMZ–Sprecher Hommen) von den CSU–Ministern Zimmermann und Warnke eingeleitet. Daß sich die Guatemalteken mit ihrer weiß–blauen Flagge so intim mit den Strauß–Spezis aus dem blau–weißen Bayern verstehen, ist allerdings weniger den gemeinsamen Nationalfarben zu verdanken als vielmehr einer glücklichen Symbiose von Münchener Außenpolitik und Exportförderung. Am Bonner Kabinettstisch kritteln die Bayern schon ewig an Außenminister Genscher (FDP) herum: Er unterstütze die US–Regierung nicht genügend bei ihrem weltweiten Feldzug gegen den Terrorismus. Daß die Bundesregierung noch immer über den EG– Haushalt indirekt Entwicklungshilfe an Nicaragua vergibt, ist ihnen ein Dorn im Auge. Die CSU will der Isolierung Nicaraguas durch die USA blind folgen. Doch ausgerechnet Guatemala hatte sich schon unter den Militärs aus dem Nicaragua–Konflikt weitgehend herausgehalten. Und Präsident Cerezo kündigte bei seinem Amtsantritt eine Politik der „aktiven Neutralität“ an. Als erstes bemühte er sich gleich um die Gründung eines zentralamerikanischen Parlaments - unter Einschluß Managuas. Wenn sich also Guatemala nicht direkt in die militärische Einkreisung einbinden läßt, dann soll - so die Strategie der Bayern - wenigstens seine Polizei in den Anti– Terrorismus–Kampf eingebunden werden. Da Nicaragua ohnehin von Präsident Reagan längst als Krebsgeschwür, Alliierter Ghadhafis und Terroristennest ausgemacht worden ist, bietet die Polizeientwicklungs–Hilfe für die Nachbarstaaten einen idealen Brückenkopf. CSU–Spranger brachte von seiner Tour durch Costa Rica, Honduras, Guatemala und El Salvador im September denn auch eine Erfolgsmeldung mit: Alle vier Staaten hätten ihn um ein „regionales Ausbildungs– und Ausstattungsprogramm“ für ihre Polizei gebeten. Für den Staatsgast Cerezo geht es vornehmlich um Geld. In Washington dagegen lächelt man über die „peanuts“, die Bonn springen lassen will. Was sind schon fünf Millionen Mark gegen runde 400 Millionen Dollar allein für die Contra? Doch aus der Zentralamerikaabteilung des State Department konnte die taz hören, daß man dort aus einem anderen Grund großen Wert auf Bonner Beteiligung legt: In der EG soll die Bundesregierung mit der Polizeihilfe den Vorreiter spielen, damit sich nicht immer allein Big Brother die Finger schmutzig machen muß, wenn in Zentralamerika der Kreuzzug gegen Terrorismus und Kommunismus geführt wird.
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