: Anti–AKW–Protest neu belebt
■ Mit einem viertägigen Zug über die Dörfer demonstrierten Schwaben und Schwarzwälder gegen das Gemeinschaftskraftwerk Neckar (GKN) / Volksfest auf dem Neubaugelände / 15 Jahre andauernder Widerstand wird nach Tschernobyl neu belebt / Polizei hielt sich fast vollständig zurück / AKW abgeschaltet
Von Didi Willier
Neckarwestheim (taz) - „Der Bauzaun fällt, der Kühlturm kracht, das GKN wird dichtgemacht.“ Fast 3.000 Menschen, darunter zahlreiche Kinder, waren gestern in einem „Zug für das Leben“ ins schwäbische Neckarwestheim gekommen mit der Forderung, Block 1 des Neckarwestheimer Atomkraftwerks stillzulegen und die Bauarbeiten an Block 2 einzustellen. Vier Tage war der „Zug für das Leben“ von Stuttgart aus über die umliegenden Ge meinden unterwegs. Mit mehr als vierzig Veranstaltungen hat er viel Zustimmung und Erstaunen geerntet - Erstaunen darüber, daß überhaupt wieder jemand zum heimischen AKW den Mund auftat. 15 Jahre dauert der Widerstand in Neckarwestheim. Manchmal war er kaum mehr zu hören, der Erfolg bisher gering. Jetzt, nach Tschernobyl, haben sich die örtlichen Bürgerinitiativen reaktiviert. An der gestrigen Kundgebung beteiligten sich auch Gruppen aus dem Schwarzwald, aus dessen Tälern Wasser für die Kühlung des wasserarmen Neckars nach Neckarwestheim gepumpt werden soll. Mit Musik, einer Trommlergruppe mit „Spätzle–Salsa“ Kabarett, vielen Buden und Anti– AKW–Drachen hatte man sich auf einem Parkplatz gegenüber dem AKW–Neubau versammelt. Für Kinder gab es ein Kinder– und Wickelzelt, es roch nach Most, Crepe, Sauerkraut und heißen Würsten. Die Polizei hielt sich fast vollständig zurück. Mit den gelegentlichen Schüssen aus der Ferne sollten nur lästige Vögel vom Riesling und Trollinger der umliegenden Weinberge vertrieben werden. „Mir send halt nemme die Leut, die älles glaubet, was dObrigkeit an se no schwätzt“, drückte eine Frau das neue Selbstbewußtsein aus. Die Gesichter älterer Anti–AKW–Kämpfer drückten allerdings Zurückhaltung und Zweifel aus. Einen bescheidenen Erfolg gebe es heute schon, meinte ein Redner: Das AKW sei schon seit Monaten abgeschaltet, ein paar Schrauben seien seit Monaten unauffindbar verlorengegangen.
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