Die Gemeinheit einer Talfahrt

München (taz) - Die Wahlhelfer der SPD haben es schwer, keine Verschnaufpause ist ihnen vergönnt. Die kurz nach Schließung der Wahllokale geklebten Plakate „Danke - und jetzt die Mehrheit für Johannes Rau“ müssen nach der vernichtenden Niederlage wieder entfernt werden. Mit 27,5 % hat die SPD im weißblauen Freistaat ihr schlechtestes Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte erzielt. Ihr Spitzenkandidat Karl–Heinz Hiersemann, der als „neue Kraft für Bayern“ angetreten ist, um die CSU vom hohen Roß zu holen, ist gescheitert. Das selbstgesteckte Ziel, mit einem Ergebnis um die 35 %–Marke dem Kanzlerkandidaten Rau eine gute Ausgangsbasis für den 25. Januar zu liefern, wurde weit verfehlt. Kopfschüttelnd und mit hängenden Schultern sitzt der schwergewichtige Strauß–Herausforderer im Saal III im Maximilianeum vor dem Fernseher. Minütlich flimmern die Hiobsbotschaften über den Bildschirm. In München und Nürnberg gehen alle Direktmandate verloren, selbst in Hiersemanns eigenem Wahlkreis Erlangen verliert die SPD über 10 Prozent. Der Gewinn des Direktmandats in Schwandorf ist lediglich ein schwacher Trost, ebenso der Rat des Parteivorsitzenden Willy Brandt, er solle sich nicht verrückt machen lassen, oder die Worte des Pressesprechers der bayerischen Grünen: „Das haben wir nicht gewollt.“ Tatsache ist: die Zugewinne der Grünen in Bayern gehen voll zu Lasten der Sozialdemokraten. „Wir hatten hier in Bayern eine echte grüne Konkurrenz“, gesteht der bayerische SPD–Landesvorsitzende Rudi Schöfberger ein, der nun im Landesvorstand die Vertrauensfrage stellen wird. Doch auch in der Stunde der Niederlage ist der „rote Rudi“ um keinen flotten Spruch verlegen. „Wir werden nun die Machtübernahme in Bayern auf unbestimmte Zeit verschieben“, kündigt er an. Die SPD wolle von den Grünen wieder Wähler zurückholen, das Parlament sei ja schließlich „keine Faxenbude“. In ihrer eilig zusammengezimmerten Analyse sind sich die weißblauen SPD–Spitzen einig. Die geringe Wahlbeteiligung bei den SPD–Stamm–Wählern, das Thema Neue Heimat und die Asylfrage haben den Sozialdemokraten den Rest gegeben. „Das ist wie ein Naturereignis, dagegen gibt es keine Strategie“, meint Hiersemann resigniert zum „Wahlprüfstein“ Neue Heimat, der ihnen in letzter Minute um den Hals gehängt wurde. Da konnten auch die „Löwinnen“, die nach dem Wahlslogan der bayerischen Sozis alle SPD wählen sollten, nicht mehr helfen. Um dem gewichtigen Verlierer die Schmach wenigstens etwas zu versüßen, überreichten ihm SPD–Frauen eine Sahnetorte. Doch Schöfberger war sich sicher, auch mit einer Frau im SPD–Landesvorsitz hätte die Partei nicht besser abgeschnitten. „Ich kenne keine Koalition in der Opposition“, erklärt Hiersemann etwas unwirsch zur Frage der Zusammenarbeit mit der grünen Landtagsfraktion. Absprachen werde es sicher keine geben, jedoch ein gemeinsames Vorgehen bei Sachentscheidungen sei nicht auszuschließen, räumt er ein. Als Hiersemann und Strauß sich an diesem Abend auf dem Weg zu den Fernsehstudios begegnen, reicht es nur zu einem wortlosen Händeschütteln. „Ich hätte ihn höchstens daraufhinweisen können, daß auch er verloren hat“, meint Hiersemann. Dennoch, der „CSU–Triumph“ ist geschmälert: In Niederbayern, so etwa in Deggendorf (minus 13,4 %), hat die weißblaue Statspartei erhebliche Einbußen hinnehmen müssen. bs/lui