IG Druck ringt um Kampfkraft

■ Beim Gewerkschaftstag diskutiert die IG Druck und Papier ihre Arbeitskampfstrategie angesichts der technischen Umwälzungen in der Druckindustrie / Engagement in der Gemeinwirtschaft in Frage gestellt

Aus Essen Martin Kempe

„Auf die eigene Kraft vertrauen“ - schon das an der Stirnwand des Kongreßsaals prangende Motto des 14. ordentlichen Gewerkschaftstages der IG Druck und Papier weist auf ein zentrales Problem dieser Gewerkschaft hin, die wie kaum eine andere von neuen Techniken überrollt worden ist. Die Streikfähigkeit ist in vielen Betrieben kaum noch gegeben, weil die Produktion in weiten Teilen auch ohne die Leute an den Bildschirmen und Leuchttischen aufrechterhalten werden kann. Zumindest für eine gewisse Zeit - so hat sich während des 13wöchigen Arbeitskampfes der Drupa für Wochenarbeitszeitverkürzung 1984 erwiesen - können die neuen Maschinen auch mit wenigen Angestellten und einigen Streikbrechern bedient werden. Die Zeitungsproduktion konnte damals vielfach nicht unterbrochen werden. So ist, neben Neuer Heimat und der nun schon obligatorischen Anklage gegen die unsoziale, gewerkschaftsfeindliche Politik der Regierungskoalition, das nicht offen eingestandene Leitthema dieses Gewerkschaftstages, wie die aufmüpfigste unter allen DGB– Gewerkschaften ihre Kampfkraft zurückgewinnen kann. Die Tarifbestimmungen zur Wochenarbeitszeit sind zum 31. März 1987 gekündigt, und einiges spricht dafür, daß die Drupa auch diesmal wieder für die 35–Stunden–Woche streiken muß. Erwin Ferlemann, der Vorsitzende der IG Druck und Papier, hatte bereits zur Eröffnung des Gewerkschaftstages am Sonntag angekündigt, die Drucker würden sich bei künftigen Arbeitskämpfen unter Umständen auch mit Betriebsbesetzungen gegen Aussperrung wehren. Bis Ende Oktober, so ergänzte gestern das für Organisation zuständige Vorstandsmitglied Heinz Müller, sollten in allen Landesbezirken der Organisation „Aktionsausschüsse“ gebildet werden, die eventuelle Kampfmaßnahmen im Detail vorausplanen sollen. Nach wie vor will die Drupa an ihrer Taktik des flexiblen Arbeitskampfs festhalten: kurze, für die Unternehmer nicht voraussehbare Streikaktionen also. Neue Töne zum Thema Gemeinwirtschaft schlug Vorstandsmitglied Lothar Schäfer in seinen mündlichen Ergänzungen zum Geschäftsbericht an: „Ich meine, daß es erlaubt sein muß, die gewerkschaftliche Idee der Gemeinwirtschaft in Frage zu stellen“, rief er angesichts des NH–Debakels aus. Ihm sei der Glaube daran geschwunden, man könne „in diesem kapitalistischen System... mit unserem gemeinnützigen Unternehmen eine Insel der Seligen“ vortäuschen. Trotz aller niederschmetternden Vorgänge im eigenen Lager aber hielt Erwin Ferlemann die Fahne hoch: „Wir werden unseren gesellschaftspolitischen Gestaltungsanspruch nicht aufgeben.“