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SDI - Laune eines alten Mannes

■ Die internationale Presse gibt Reagan die Schuld für das Scheitern des Gipfeltreffens

Chinas offizielle Presse hat am Dienstag das Ausbleiben von Resultaten beim Treffen Reagans mit Gorbatschow angesichts der „scharfen Interessengegensätze“ beider Länder als keineswegs überraschend bezeichnet. Nach Meinung der Pekinger Volkszeitung war das Treffen offenbar in erster Linie darauf angelegt, eine gewisse Entspannungsbereitschaft zu signalisieren. Der konservative britische Daily Telegraph warnt dagegen: „Bis Sonntagnacht glaubten viele Europäer, daß Präsident Reagans Festhalten an SDI eine Waffe in den Verhandlungen sei. Im richtigen Augenblick, wenn jedes erreichbare Zugeständnis aus Gorbatschow herausgepreßt wäre, würde der Präsident plötzlich verkünden, daß er nur Witze gemacht habe. ... Nun wissen wir es alle besser. Für die westeuropäischen Regierungen wäre es töricht, den Hauch von Neo–Isolationismus zu ignorieren, der in der US–Position deutlich wurde.“ Die Neue Zürcher Zeitung ist in ihrer Kritik an Reagans Halsstarrigkeit vorsichtiger: „Es steht zu erwarten, daß Reagan in der amerikansichen Öffentlichkeit triumphiert, Gorbatschow hingegen in Europa mit einigem Verständnis rechnen kann. Für die Regierungen in Bonn und London bedeutet der Fehlschlag von Reykjavik eine Schmälerung ihrer Wahlaussichten.“ Die Pariser Le Monde sieht die Verantwortung für das „sonderbare Scheitern des Gipfels“ eher bei Gorbatschow: „Taktisch konnte es im Interesse von Grobatschow liegen, zum letzten Sturm auf das bereits angeschlagene SDI–Projekt anzutreten. Dabei vermittelt er der internationalen Öffentlichkeit die Botschaft: Schaut was wir alles tun könnten, wenn sich der amerikanische Präsident nicht so sehr an etwas klammerte, was zur Laune eines alten Mannes geworden ist. Und in bezug auf die innersowjetische Ebene darf man sich fragen, ob das Thema SDI nicht nur als Vorwand diente, um ein offenbar zu ehrgeizig gewordenes Abrüstungsprogramm zu beerdigen.“ Die New York Times gibt sich enttäuscht: „Die Gespräche gingen zu Ende, ohne daß mehr herausgekommen wäre als das, was sein enttäuschter Außenminister Shultz als mögliche kommende Abkommen bezeichnete. Potentielle Verträge aber schaffen keine Raketen ab. Die Sowjets schienen willens, großzügige Konzessionen bei einer ganzen Reihe von Fragen zu machen...Aber all diese Konzessionen waren an eine Bedingung gebunden: einen Vertrag über die Beschränkung von SDI.“ (dpa/ap/afp)

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