: Verhinderer
■ Warum deutsche Politiker und Militärs Atomwaffen lieben
Ein groteskes Schauspiel. Der sowjetische Generalsekretär Gorbatschow bringt ein Konzept von Rüstungskontrolle ins Spiel, das erstmals seit den 50er Jahren wieder Abrüstung und nicht nur eine kontrollierte Aufrüstung zum Ziele hat. Der amerikanische Präsident muß darauf eingehen; zumindest verbal. Das ganze platzt an SDI. Nichts bewegt die deutsche Rechte seitdem mehr als dieses „fast“. Nicht, weil sie darum trauern würden. Nein, sie sind erschreckt, daß ein amerikanischer Präsident (auch nur propagandistisch) die Abschaffung von Atomwaffen ins Auge gefaßt hat. Wenn im Verhandlungspoker der Supermächte von „deutschen Interessen“ die Rede ist, klingt das hierzulande leider allzu positiv. Dabei reiste Kohl in die USA, um eine Lanze für die Atomwaffen zu brechen. Die Bundesregierung, die CSU, die CDU, die deutschen Militärs - sie wollen die Atomwaffen in der BRD. Dies führt zurück zur Geschichte des NATO–Doppelbeschlusses: Es war ein deutscher Bundeskanzler, der Sozialdemokrat Helmut Schmidt, der 1977 die „Nach“rüstung von den USA verlangte. Denn: Wer mag schon daran glauben, die USA würden zur „Verteidigung“ West–Berlins die Zerstörung Washingtons in Kauf nehmen? Aus Gründen der „Ankoppelung“ an die strategischen Atomwaffen in den USA wurden die Pershing–Raketen ins Land geholt, die die UdSSR erreichen können, und nicht als „Gegengewicht“ zur SS 2O. Doch die „Ankoppelung“ wurde unter der Hand zur „Abkoppelung“: Die USA sahen darin bald die Option, im Falle eines militärischen Konfltiktes in Europa einen atomaren Schlagabtausch auf Europa, auf die BRD zu begrenzen. Und sie haben in der NATO allemal mehr zu sagen. Gegen diese Gefahr eines begrenzten Atomkrieges vor allem hat die Friedensbewegung gekämpft. Doch sie begriff die BRD vornehmlich als Opfer amerikanischer Politik. Alles andere hätte den Konsens dieser Massenbewegung gesprengt. Das ist leider so geblieben. Kritisiert werden erneut nur die USA, nicht die Herrschenden im eigenen Land. Dabei droht das Erreichte der Friedensbewegung von damals, die Infragestellung der Atomwaffen zur Friedenssicherung, wieder zu verschütten. Eine neue Form der Mobilisierung von Ängsten, auf der Grundlage eines Antikommunismus, der längst ins Unterbewußte abgesunken ist, kündigt sich an. Ohne die Pershings, so die Drohung der Konservativen, würde die deutsche Bevölkerung den amerikanischen Schutzschirm gänzlich verlieren. Es ist an der Zeit, nicht nur einzelne Atomwaffen ins Visier zu nehmen, sondern den Mythos „Ankoppelung“ und „Atomschirm“ gründlich zu zerstören. Ursel Sieber
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