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Atombombenschmiede WAA

■ US–Atomwaffenbauer bestätigen: Waffenfähiges Plutonium in Wiederaufbereitungsanlage / Bonner Dementis als „Schwachsinn“ bezeichnet

Von Andreas Orth

Hamburg (taz) - Es stimmt also doch: Aus dem Wackersdorf–Plutonium lassen sich problemlos Atombomben bauen. Das haben drei frühere US–Atombombenkonstrukteure, darunter auch ein Direktor der Atomwaffenschmiede Los Alamos, erklärt. Bundesforschungsminister Riesenhuber dagegen hatte immer behauptet: „Das in Wackersdorf anfallende Uran und Plutonium kann aus physikalischen Gründen überhaupt nicht zur Herstellung von Atombomben verwendet werden.“ Die beim WAA anfallende Isotopenmischung des Plutoniums sei nicht waffenfähig. Das Spaltmaterial aus Bayern sei kein reines Plutonium (Pu) 239, wie für Nuklearsprengsätze nötig. „Thats Horseshit“, völliger Schwachsinn, meinte Harold Agnew, bis 1979 Direktor von Los Alamos, dazu. Zwar verwendet die US–Army tatsächlich vorzugsweise Pu 239 für ihre Atomsprengsätze, doch mit der in Wackersdorf anfallenden Isotopenmischung aus Pu 238, 239, 240 und 241 geht es auch: „Es ist ein historischer Mythos, daß nur Atombomben mit reinem Pu 239 zünden“, erklärte Agnew jetzt dem Magazin Tempo. „Es ist nicht das Problem, daß solche Sprengsätze nicht funktionieren, es ist nur schwieriger, mit ihnen umzugehen“, meinte er. Auch der Nuklearphysiker Theodore Taylor, der die bekanntesten Atomwaffen der US–Nukleargeschichte entwarf, kann mit den Bonner Dementis gar nichts anfangen. Er, der die bisher leichteste Atombombe „Davy Crockett“ mit einem Gewicht von nur 22 kg, aber auch die bisher größte überirdisch gezündete H–Bombe „Super Oralloy“ mit einer Sprengkraft im Megatonnen–Bereich konstruierte, ist sich absolut sicher: „Alle diese Plutonium–Isotopen können zum Bau von Waffen verwendet werden.“ Das sind keine theoretischen Überlegungen. Taylor hat in Los Alamos genau an diesem Problem des „verunreinigten Plutoniums“ gearbeitet. „Ich weiß, wie es geht“, sagt er. Der Weg zur Bombe made in Wackersdorf ist danach eine Modell–Frage. Der Sprengsatz dürfe nicht nach dem „Guntype“–Verfahren entworfen werden. Fortsetzung auf Seite 2 Bei dieser Bauweise werden die Uran– und Plutonium–Materialien kurz vor der beabsichtigten Explosion zusammengeschossen. Die Hiroshima–Bombe funktionierte nach diesem Prinzip. Die Konstruktion müsse vielmehr nach dem sogenannten Implosionsverfahren erfolgen, erklärte Taylor. Dabei werden die spaltbaren Bestandteile der Bombe wie Zwiebelschalen übereinandergelegt und dann mit einem Mantel aus konventionellem Sprengstoff umhüllt. Wird diese explosive Schale gezündet, preßt die Explosion das Material zu einer kritischen Masse zusammen und die Bombe detoniert. Das ist kein revolutionäres Konzept, schon die Bombe „Fat Man“, die Nagasaki auslöschte, funktionierte nach diesem Prinzip. „Die Deutschen haben keine Ahnung. Sie wissen nicht, wovon sie reden. Es gibt wirklich keinen Grund anzunehmen, daß ihnen bewußt ist, was sie da sagen“, meint Taylor zu Stellungnahmen aus der CDU/CSU. So hatte der bayerische Kanzleichef Edmund Stoiber die Vermutung, daß die WAA der Option für eine deutsche Atombombe Tür und Tor öffne, als „abstrus und niederträchtig“ bezeichnet. Ob das dreist gelogen oder die CDU–Techniker auch als Bombenbauer mehr Rohrkrepierer als Erfolge vorzuweisen hätten, ist offen. Eine Mischung aus Plutoniumisotopen gibt mehr gefährliche Gamma– und Röntgenstrahlung ab als das reine Pu 239. Es gefährdet die Arbeiter in den Atombombenschmieden. Atombomben zweiter Wahl könnten nicht, wie in den USA üblich, in Handarbeit gefertigt werden. Kostspielige Roboter und aufwendige Bleiabschirmungen sind notwendig, wie Experten in einer Anhörung des US–Kongresses erklärten. Im Riesenhuber–Minsterium sind Beamte über das Minister–Dementi nicht mehr glücklich. Die neue Parole soll lauten, daß mit dem WAA–Plutonium zwar eine Bombe zu bauen ist, diese jedoch nicht funktionieren würde. Aber Carson Mark, früher Direktor der Theoretischen Abteilung von Los Alamos und immer noch Berater der US–Air– Force und der Atomkontrollbehörde NRC (Nuclear Regulatory Commission), bestätigt: Wenn die WAA in Betrieb sei, dann wäre es nur eine Frage von Monaten oder auch nur Wochen, bis genügend Plutonium für eine nukleare Explosion zur Verfügung stände. Einen Nachteil hätten Bomben aus Wackersdorf allerdings: Sie wären nicht besonders lange lagerfähig. Die Wärmestrahlung des Pu 238 bekommt dem Zündmechanismus nicht.

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