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Warum sagt Frau Schwarzer „Neger“?

■ Zur Wortwahl in der Kampagne gegen Pornographie

In die Debatte über Pornographie schleichen sich altbekannte Ungenauigkeiten ein. Die Frage stellt sich jetzt, inwieweit dies die Debatte selbst entwertet. Ein Beispiel dafür ist das Streitgespräch zwischen Alice Schwarzer und dem Wiener–Chefredakteur Wolfgang Maier. Warum sagt Frau Schwarzer „Neger“? Warum sagt sie „Juden, Zigeuner und alles, was als minderwertig bezeichnet wurde“? Wieso mogelt sich das kleine s ein und macht so in der Folge Menschen zu Dingen? Viele Frauen schlucken solche Unachtsamkeit und meinen, so sei es richtig, denn suggeriert wird hier: Wir können uns sowas mal leisten, umgekehrt ist man uns gegenüber auch nicht genau. Jetzt werden der beispiellos grausame Mord an den Juden und die damit verbundenen nationalsozialistischen Hetzkampagnen wieder mal gebraucht, um Parallelen zu zeichnen. In der Pornographiedebatte nehmen sich Schwarzer und alle, die sich dieser Parallele bedienen, das Recht heraus, Abbildungen von würdelosen Phantasien gleichzusetzen mit Abbildungen von Menschen, denen eine verbrecherische Politik das Leben genommen hat. Es ist keine Frage, daß gewaltpornographische Abbildungen Angriffe auf die Würde einer jeden Frau sind. Keine Frage auch, daß so ein Klima geschaffen wird, das Gewalt gegen Frauen den Boden ebnet. Richtig ist auch, mit aller Kraft etwas dagegen zu tun. Aber die Frauen stehen nicht kurz davor, ausgerottet zu werden, sie sind beileibe keiner staatlichen Vernichtungsmaschinerie ausgeliefert. Solche Parallelen pressen Frauen in die Schablone des Opfers; je mehr Identifikation, desto weniger eigenes Denken. Und mit dem Massenkonsens des Opfers läßt sich beliebige Politik machen. Auch Frauenpolitik. Maria Neef–Uthoff

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