: NS–Prozeß: Richterin bleibt
■ Befangenheitsantrag der Verteidigung der NS–Euthanasie–Ärzte abgelehnt / Angeklagter Ullrich will Tötungs–Vorwürfe mit juristischen Tricks entkräften / Gericht erhebt vielleicht erneut Beweis
Von Michael Miersch
Frankfurt (taz) - Richterin Johanna Dierks und ihre beiden Beisitzer werden den Frankfurter NS– Ärzteprozeß weiter führen. Wie berichtet, wird den beiden Angeklagten vorgeworfen, Anfang der vierziger Jahre an der Tötung von mehreren tausend, angeblich geisteskranken, Menschen beteiligt gewesen zu sein. Die zuständige Vertreterkammer hat jetzt den Befangenheitsantrag, den die Verteidiger von Dr. Heinrich Bunke und Dr. Aquillin Ullrich gestellt hatten, abgelehnt. Das entsprechende Schreiben wurde in der gestrigen Verhand lung verlesen.Die Verteidiger hatten ihren Antrag damit begründet, daß das Gericht am 13.10. im Krankenzimmer von Bunke verhandelte, obwohl der Chefarzt der Celler Klinik, in der der Angeklagte liegt, ihm Verhandlungsunfähigkeit attestiert habe. Der Chefarzt hat inzwischen die Darstellung der Verteidiger bestritten. Die Verlegung des Prozesses ins Celler Krankenhaus war notwendig geworden, um die zehn Tage Frist, die zwischen den Verhandlungstagen liegen dürfen, nicht zu überschreiten. Die Verhandlung gegen den immer noch kranken Bunke ist jetzt bis zum 12.11. formgerecht unterbrochen worden. Dr. Ullrich meldete sich gestern mit einer überraschenden Erklärung zu Wort: Während seiner Tätigkeit in der Tötungsanstalt Brandenburg sei dort die Gaskammer nicht als Duschraum getarnt gewesen. Prozeßbeobachter vermuten dahinter einen Versuch, den Heimtücke– Vorwurf mit einem juristischen Kniff zu entkräften. Denn ohne Heimtücke wird aus der Beihilfe zum Mord Beihilfe zum Totschlag - und die ist verjährt. Das Gericht wird bis zur nächsten Woche darüber entscheiden, ob zu Ullrichs Erklärung erneut Beweis erhoben werden soll.
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