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I N T E R V I E W „Ermittlungen bestätigen Wallraff“

■ Olaf Sund, Präsident des nordrheinwestfälischen Landesarbeitsamtes, zur „illegalen Leiharbeit“

taz:Herr Sund, die Landesarbeitsämter sind seit Jahren der illegalen Leiharbeit auf der Spur. Hat das Wallraff–Buch die Bekämpfung erleichtert? Sund:Die große Bedeutung der Wallraff–Veröffentlichung liegt darin, daß danach die Aufmerksamkeit und das Interesse der Öffentlichkeit an dem Komplex der illegalen Beschäftigung deutlich gestiegen ist. Gerade durch die Zuspitzungen und die dargestellten, zunächst einmal sprachlos machenden Einzelfälle, wurde eine Parteinahme der Öffentlichkeit erreicht, die ich für besonders bedeutsam halte. Bestätigen ihre eigenen Ermittlungen die Substanz der im Buch erhobenen Vorwürfe? Daran haben wir nie einen Zweifel gelassen. Wir haben immer gesagt, daß wir die genannten Rechtsbrüche und Mißbräuche immer wieder in der eigenen Arbeit bestätigt gefunden haben und insofern sind wir, abgesehen von einigen Zuspitzungen, durch die Veröffentlichung nicht überrascht worden. Es schmälert ja das Verdienst des Buches in keiner Weise, wenn ich sage, daß wir an all den Komplexen, über die in unserem Zuständigkeitsbereich berichtet worden ist, mit eigenen Ermittlungen dran waren. Allerdings oft nicht so nah dran, oft ein Stück nebenher, aber im Kern an der gleichen Sache dran. Heute kann man sagen, daß seit der Veröffentlichung das Bewußtsein für das Problem der illegalen Beschäftigung in der gesamten Wirtschaft deutlich gewachsen ist. Wir werden jetzt in ganz außerordentlichem Umfang konsultiert, und wir merken, daß Entleiher verstärkt darauf achten, ob der Verleiher ein seriöser Partner ist, der gesetzliche Vorschriften einhält. In großen Unternehmen, z. B. in der Stahlbranche, sind doch Leiharbeiter mit Wissen des Entleihers illegal beschäftigt worden. Es war doch nicht Unwissenheit, sondern gezieltes Kälkül, um mit Hilfe der Leiharbeiter Kosten zu senken. Auch wenn Sie über diese Antwort nicht sehr fröhlich sind: Das sehe ich nicht so. Ich glaube, daß man eher leichtfertig und arglos mit dem Instrument der Arbeitnehmerüberlassung hantiert hat. Ich weiß aus zahllosen Beratungen von Firmen, daß das Bewußtsein um eine Ordnung der Verhältnisse in den Betrieben heute eigentlich das dominierende Element ist. Ich finde, dies ist ja nicht die schlechteste Wirkung, die aus der Wallraff–Veröffentlichung erwachsen ist. Es hat sich etwas verändert, aber es darf jetzt natürlich nicht der Eindruck entstehen, als sei alles in Ordnung. Die Verstöße liegen nun eher bei den Verleihern als bei den Entleihern? Im Grunde steht ja der Vorteil, den ein Entleiher von gesetzwidrigen Ausleihmethoden hat, in keinem vernüftigen Verhältnis zu dem Schaden, der im Fall der Aufdeckung durch den Ansehens– und Reputationsverlust entsteht. Es ist ja ein zentrales Verdienst des Wallraff–Buches, daß diese Methoden heute nicht mehr als Kavaliersdelikte gelten. Der aktuelle Trend sieht so aus, daß uns zunehmend jene Verleiher, die sich vorher illegal getummelt haben, angehen, um eine Genehmigung für die Arbeitnehmerüberlassung zu erhalten. Sie drängen gewissermaßen in eine formale Legalität. Deshalb müssen wir heute zunehmend Genehmigungsanträge ablehnen. Gleichzeitig stellen wir fest, daß im Bereich der erlaubten Arbeitnehmerüberlassung die gesetzwidrigen Praktiken zunehmen. Hier müssen wir mit geschärfter Aufmerksamkeit dran bleiben. Dazu brauchen wir eine verbesserte Personalausstattung, und dann trauen wir uns durchaus bessere Erfolge zu, auch ohne gesetzliche Neuregelungen.

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